Bücherherbst 2025: Ob Autobiografie oder Biografie – von diesen Büchern kann man lernen

  • Oktober 15, 2025

Lebe deinen Traum! Sei du selbst! Lean in! Thembi Wolf ist anfällig für motivierende Lebensweisheiten – auch deshalb steht ihr Bücherregal voller Memoiren: lauter Vorbilder!

Angela Merkel: „Freiheit“, Kiepenheuer & Witsch, 736 Seiten, 42 Euro
© Kiepenheuer & WitschAlles, was Sie über dieses Buch gehört haben, stimmt. Es ist streckenweise öde, hölzern pflichtbewusst und analytisch. Es hat aber auch einen rauen Humor und erzählt Geschichten, die eben nur Angela Merkel erlebt haben kann. Die einzige Frau, die 16 Jahre am Stück mit Macht über die gesamte Welt ausgestattet war. Dass Merkel auch in ihren Memoiren den Vorhang  geschlossen lässt und weiterhin Contenance bewahrt? Man versteht es nach dem Lesen. Denn immer wieder blitzt ihr Intelligenz durch, die große Wissenschaftlerin, die mit Ruhe und Gelassenheit ein bestimmtes Ziel verfolgt.

Gertrude Stein: „Die Autobiografie von Alice B. Toklas“, Ebersbach & Simon, 336 Seiten, 24 Euro
© Ebersbach & SimonHemingway, Matisse und Picasso flanierten durch den Salon des legendären Paares Stein und Toklas. Einige der wichtigsten Gedanken des 20. Jahrhunderts wurden hier zuerst gedacht. Stein schrieb eine wilde Ode an die große Liebe – und an Paris.

Alison Bechdel: „Fun Home“, Kiepenheuer & Witsch, 240 Seiten, 28 Euro
© Kiepenheuer & WitschDie amerikanische Comiczeichnerin Alison Bechdel kam zu ungewolltem Weltruhm, weil sie den „Bechdel-Test“ erfand. Als ihr Vater, ein grummeliger Bestatter, Suizid begeht, beginnt Bechdel, seine Geschichte zu ergründen. Und erzählt die universellste Vater-Tochter-Geschichte überhaupt, über Liebe, Trauer und Vergebung. Völlig zu Recht wurde „Fun Home“ mit Preisen überhäuft und zu einem – ebenfalls vielfach preisgekrönten – Musical vertont.

Biografien inspirieren

Malcolm X: „The Autobiography of Malcolm X“, Penguin, 528 Seiten, 13 Euro
© Penguin

Im Gefängnis traf sich die amerikanische Bürgerrechtsikone regelmäßig mit dem Journalisten Alex Haley und erzählte von ihrem Weg vom drogenabhängigen Gangster zum eisernen Freiheitskämpfer. Noch bevor das Manuskript der gemeinsam verfassten Autobiografie fertig war, wurde Malcolm X erschossen. Trotzdem (oder auch deshalb) wurde das Buch eines der wichtigsten überhaupt. Absurd, dass es nur noch auf Englisch erhältlich ist. Aber umso besser kommt im Original der feine Humor zur Geltung. Ein Werk, das Hoffnung gab in Zeiten des Hasses. Und seither leider nicht an Bedeutung verlor.

Jeanette Winterson: „Warum glücklich statt einfach nur normal?“, Hanser, 256 Seiten, 11 Euro
© Hanser

Die Mutter der britischen Bestsellerautorin stellt ihr diese Frage, als sie dem ultrareligiösen Haushalt entflieht, um mit einer Frau glücklich zu sein. Fortan sucht Winterson im Leben die Antwort und Heilung vom Kindheitstrauma. Wahr und witzig!

Stefan Zweig: „Marie Antoinette“, Insel, 571 Seiten, 14 Euro
© Insel

Bevor die Guillotine ihr den Garaus machte, war Marie Antoinette eine völlig durchschnittliche Person. Nicht besonders klug, nicht besonders leidenschaftlich. Eine schwächliche Natur. Königin von Frankreich hätte sie nicht unbedingt werden sollen, behauptet Stefan Zweig. Seine Biografie ist eine umwerfende Ketzerei über die missverstandene historische Figur – und ihren Weg von der Party aufs Schafott.

Chanel Miller: „Ich habe einen Namen“, Ullstein, 480 Seiten, 20 Euro
© Ullstein

Brock Turner, den Namen des Mannes, der sie als Studentin vergewaltigte, las Chanel Miller in jedem Magazin, beinahe täglich auf CNN, millionenfach auf Social Media. Sie aber wird dort nur „Emily Doe“ genannt – bis zu diesem Buch. Miller beschreibt ihren Schritt in die Öffentlichkeit, die Ungerechtigkeit vor Gericht, Auseinandersetzungen mit Therapeuten. Auch das Leben der Frauen um sie herum gerät aus den Fugen, der Schwester, der Mutter, von Freundinnen. Miller seziert nicht nur die eigene Geschichte, sie ordnet sie ein in eine der wichtigsten politischen Bewegungen unseres Jahrhunderts: #MeToo. Ein Zeitdokument.

Michelle Obama: „Becoming: Meine Geschichte“, Goldmann, 544 Seiten, 26 Euro
© Goldmann

Platte Weisheiten aus der eigenen Erfolgsstory zu generieren, das ist keine Kunst. Michelle Obama bildet wie immer die Ausnahme. Ihre Biografie vermischt angenehm Anekdoten und Anleitung zum Michelle-Sein. Ohne Ironie empfehlenswert ist auch das zugehörige Arbeitsbuch „Becoming: Finde deine innere Stimme“.

Paul Kalanithi: „Bevor ich jetzt gehe“, Penguin, 208 Seiten, 13 Euro
© PenguinPaul Kalanithi: „Bevor ich jetzt gehe“ 

Penguin, 208 Seiten, 13 Euro

Dass er ein Buch schreiben würde, das zu Tränen rührt, hatte der Neurochirurg Paul Kalanithi sicher nie geplant. Er ist 36, als Lungenkrebs diagnostiziert wird. In seiner Autobiografie zwischen Naturwissenschaft, Philosophie und großer Literatur rechnet er mit dem Menschsein ab. Und nach der Lektüre fühlt sich auch der eigene Körper auf einmal anders an.

Britney Spears: „The Woman in Me“, Penguin, 288 Seiten, 12 Euro
© Penguin 

Wer verfolgt hat, wie der Boulevard der 2000er-Jahre dieser Frau das Genick gebrochen hat, schuldet ihr die Chance, selbst das Wort zu ergreifen. Ein Lehrstück in Medienkritik. So ehrlich, dass man Spears oft wünscht, sie wäre nie berühmt geworden.

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