
Antisemitismus ist in Mecklenburg-Vorpommern kein Randphänomen, warnen Beobachter, die entsprechende Vorfälle dokumentieren. Dazu gehören etwa Beleidigungen, Hakenkreuzschmierereien oder Drohungen.
Der Dokumentations- und Informationsstelle Antisemitismus in Mecklenburg-Vorpommern sind im vorigen Jahr mehr antisemitische Vorfälle als 2023 gemeldet worden. 2024 seien insgesamt 92 Vorfälle dokumentiert worden und damit 72 Prozent mehr als 2023. Die Zunahme sei auch auf die steigende Bekanntheit der Meldestelle und eine höhere Sensibilität zurückzuführen, hieß es bei der Vorstellung des Jahresberichtes. Erfasst werden auch Vorfälle, die unterhalb der Strafbarkeitsgrenze liegen.
Die Statistik der Meldestelle trifft explizit keine Aussage über offiziell registrierte antisemitische Straftaten, die vom Innenministerium als politisch motivierte Kriminalität ausgewiesen werden. Diese Zahl stieg von 2023 auf 2024 um 7,8 Prozent von 115 auf 124, wie das Innenministerium Ende April mitteilte.
Die von der Meldestelle dokumentierten Vorfälle reichten von verbalen Anfeindungen im öffentlichen Raum über Schmierereien an Gedenkorten bis hin zu gezielten Angriffen. Sie machten deutlich, wie sich antisemitisches Denken in den Alltag einschleiche, sagten Mitarbeiter des Projektes. Auch wenn die Vorfälle oft keine strafrechtliche Relevanz hätten, wirkten sie sich real auf Betroffene und die Sichtbarkeit jüdischen Lebens in Mecklenburg-Vorpommern aus.
Jeder antisemitische Vorfall ist einer zu viel
Kulturministerin Bettina Martin (SPD) betonte die Bedeutung der Meldestelle. Es sei wichtig, dass es eine Anlaufstelle gebe, an die sich Menschen mit Vorfällen auch unterhalb der Strafbarkeitsschwelle wenden könnten und wo sie Beratung erhielten. „Den Anstieg der gemeldeten Fälle im Vergleich zum Vorjahr nehmen wir sehr ernst, er zeigt aber auch eine höhere Sensibilität der Menschen.“
Jeder antisemitische Vorfall sei einer zu viel, so Martin weiter. Antisemitismus zu bekämpfen sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Deswegen sei es wichtig, dass der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern beschlossen habe, den Schutz und die Förderung jüdischen Lebens in die Landesverfassung aufzunehmen.
An der Vorstellung des Berichtes nahm auch der Landesrabbiner von Mecklenburg-Vorpommern, Yuriy Kadnykov, teil. Die Dokumentations- und Informationsstelle Antisemitismus wird durch das Land aus Bundesmitteln des Programms „Demokratie leben!“ über die Landeskoordinierungsstelle Demokratie und Toleranz gefördert.
Die Fördersumme beträgt in diesem Jahr rund 185.000 Euro (2024: rund 163.000 Euro). Die Meldestelle ermutigte dazu, antisemitische Vorfälle zu melden. Eine Anzeige bei der Polizei sei dafür keine Voraussetzung.