Buchkritik: Vom Dorf ins Rotlicht: Das Leben der Domina Herta Lueger

  • Juni 8, 2025

In ihrem Buch „Bardame gesucht, Zimmer vorhanden“ erzählt Ex-Prostituierte Herta Lueger aus dem Milieu. Und von den Morden an zwei Freundinnen. 

Meine Herren, was für ein Leben. Und was für ein Buch. Herta Lueger war jung und schön, mal rot, mal blond, und sie kam vom Dorf im Burgenland. Anfang der 1970er Jahre zog sie in die Stadt nach München. 

Friseurin hatte sie gelernt, doch das Geld reichte nie. Also versuchte sie sich als Bardame, animierte Gäste zum Trinken. Nach jeder Schicht musste sie sich übergeben. Zu viel Alkohol. 

Einmal hing sie mit ihrer Freundin und Kollegin über der Kloschüssel. Die Provision war mau, nur 100 Mark für einen versoffenen Abend. „Ab morgen bin ich wieder auf dem Strich“, sagte Gitta. Und Herta Lueger ging mit. So wurde sie „eingeführt“ in das Geschäft, das ihr Leben bestimmen sollte.

Herta Lueger war erfolgreich im Sex-Geschäft

Herta Lueger lernte, wie man vaginalen Sex mit der Hand vorgaukelt, die Frauen nannten das: eine „Falle schieben“. Echter Sex mit Freiern war damals noch verpönt, galt als unkollegial und gefährlich – weil er die Preise verdarb und wegen der drohenden Geschlechtskrankheiten. Die Zeiten änderten sich, später hatten die Frauen echten Sex, manchmal sogar ungeschützt. 

Ungeschützt gingen manche von ihnen auch durchs Leben, und einige stürzten ab. Jahre später sah Herta Lueger ihre Mentorin Gitta auf der Straße: „aufgeschwemmt, und ihre engelhafte Schönheit war verschwunden.“ Gitta erkannte ihre alte Freundin Herta nicht mal mehr.

Herta Lueger dagegen war im Sex-Business sehr erfolgreich, arbeitete als Domina, führte ihr eigenes Studio, gründete einen Escortservice und einen Club. Zwischendurch heiratete sie, bekam zwei Kinder. 

Mit ihrer Tochter Patricia hat Herta Lueger nun ein Buch über ihr Leben geschrieben: „Bardame gesucht, Zimmer vorhanden“. Lueger hat viel zu erzählen. Ihre Sprache ist knapp, spröde bisweilen: „Drei Tage nach der Geburt begann ich wieder, als Domina zu arbeiten, denn ich brauchte Geld.“ Gerade dieser unprätentiöse Stil macht das Buch lesenswert. 

„Nie als Opfer gefühlt“

Zwei Frauen, denen Lueger nahestand, wurden ermordet. Da war Aline, „Typ höhere Tochter“, Studentin mit „Einser-Abi“, aber heroinabhängig. Sie arbeitete für Luegers Escortservice, sogar ihre Mutter wusste Bescheid. Eines Tages war Aline tot, ermordet von einem Freier. „Er hatte Aline nicht weit von seinem Haus in ein Gebüsch geworfen. Ein Spaziergänger, der mit seinem Hund unterwegs war, fand sie in den frühen Morgenstunden. Sie lag dort, mit nacktem Oberkörper, ohne Schuhe, nur mit ihrem Rock bekleidet. Zuerst hielt man sie für ein Kind, weil sie so zierlich war.“ 

Auch Kollegin Sun „wurde abgeschlachtet wie ein Schwein.“ Die Zeitungen schrieben: „Für schöne Kleider musste sie sterben.“ Lueger kommentiert lakonisch: „Irgendwie stimmte das auch, denn ohne ihre Kaufsucht wäre Sun wahrscheinlich nicht auf den Strich gegangen.“

In dem Buch ist vieles anders, als man gemeinhin glaubt. „Die meisten Mädchen, die auf den Strich gingen, kamen nicht aus schwierigen oder schlechten Familienverhältnissen, wie es gerne dargestellt wird. Es war aber auffallend, dass weitaus mehr vom Land oder aus einer Kleinstadt kamen als aus großen Städten. Die Landmädchen waren naiver und leichter zu beeindrucken. Viele wollten auch aus engen, kleinbürgerlichen Verhältnissen ausbrechen, und so gingen sie den Zuhältern schneller auf den Leim.“ Es waren aber nicht nur Männer, von denen Herta Lueger wusste, dass sie Frauen in die Prostitution zwangen. Es waren auch Frauen. Vermeintliche „Freundinnen“ wie jene Gitta etwa, die Herta Lueger ins Geschäft eingeführt hatte. 

Nach dem Mord an Aline stieg Herta Lueger aus, führte mit ihrem Sohn einen Friseursalon in München. Sehr erfolgreich, viele Promis kamen zu ihr. Trotzdem sehnte sie sich, die sich „nie als Opfer gefühlt“ hat, manchmal zurück ins Milieu und dachte daran, wie viel Geld ihr „durch die Lappen“ ging. Der Sohn ermahnte sie dann, was für ein schönes Handwerk der Friseurberuf doch sei. 

Manchmal wirkt das Buch unentschieden, der Blick zurück ein bisschen zu demonstrativ stolz. Doch Lueger lässt keinen Zweifel: „Das Milieu hat seine menschlichen Seiten, aber am Ende ist es doch mörderisch. Im Grunde ist es ein Wunder, dass ich noch lebe. Manchmal denke ich, ich bin wie auf Wolken über allen Gefahren geschwebt. Erst nach und nach wurde mir bewusst, dass ich eine Ausnahme war und Glück hatte.“

Herta und Patricia Lueger: „Bardame gesucht, Zimmer vorhanden“, Matthes & Seitz, 253 Seiten, 24 Euro

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