Extremismus: Bundesgericht verhandelt über Zukunft von „Compact“-Magazin

  • Juni 10, 2025

Wie stark ist das Grundrecht auf Presse- und Meinungsfreiheit? Gilt es auch für das rechtsextreme Magazin „Compact“? Oder gefährden dessen Texte die Demokratie? Die Richter in Leipzig brauchen Zeit.

Knapp ein Jahr nach dem Verbot des rechtsextremen Magazins „Compact“ prüft das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, ob dieses Bestand hat. Die mündliche Verhandlung verfolgten viele Zuschauer und Medienvertreter. Im Eilverfahren hatten die Richter das Verbot vorläufig ausgesetzt, so dass das Blatt vorerst weiter erscheinen konnte. Nun geht es im Hauptsacheverfahren um die Zukunft des Magazins. Am Mittwoch wird die Verhandlung fortgesetzt. 

Worum geht es? 

Die damalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte das Magazin am 16. Juli 2024 verboten und es als „zentrales Sprachrohr der rechtsextremistischen Szene“ bezeichnet. Damit war eine sofortige Einstellung des gesamten Print- und Onlineangebots von „Compact“ verbunden. 

In der Verbotsverfügung hieß es: „Es ist zu befürchten, dass Rezipienten der Medienprodukte durch die Publikationen, die auch offensiv den Sturz der politischen Ordnung propagieren, aufgewiegelt und zu Handlungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung animiert werden.“ Das Medienunternehmen agitiert nach Einschätzung des Verfassungsschutzes nicht nur gegen die Bundesregierung, sondern auch „allgemein gegen das politische System“. 

Rechtlich handelt es sich bei dem Schritt um ein Vereinsverbot – laut Bundesinnenministerium können auch Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen darüber verboten werden. Dagegen hatte das Bundesverwaltungsgericht im Eilverfahren keine Einwände erhoben.

Welche Frage steht im Mittelpunkt? 

Es geht um die Frage, ob Aktivitäten und Aussagen des Medienunternehmens über Meinungsäußerung hinausgehen und eine konkrete Gefährdung darstellen. Zudem müssen die Richter klären, ob im konkreten Fall überhaupt das Vereinsrecht anzuwenden ist und ob dies auch über die Meinungs- und Pressefreiheit steht. Das Vereinsverbot habe „dem Schutz der verfassungsgemäßen Ordnung“ gedient, sagte der Prozessvertreter des Ministeriums, Wolfgang Roth, vor Gericht.

Aus Sicht von „Compact“-Anwalt Ulrich Vosgerau ist es dagegen ein „Kardinalfehler“ des Beschlusses, davon auszugehen, dass für ein Presseerzeugnis das Vereinsgesetz anzuwenden ist. Der Jurist zweifelte an, dass das Gericht bereit sei, in diesem Punkt seine Meinung zu revidieren.

Die Leipziger Richter sind in erster und letzter Instanz für Klagen gegen Vereinsverbote zuständig. 

Ist „Compact“ ein reguläres Medienunternehmen?

Laut Ministerium ist die „Compact“-Magazin GmbH seit längerem im Fokus des Verfassungsschutzes und wurde Ende 2021 als gesichert rechtsextremistische Vereinigung eingestuft und beobachtet. 

Das 2010 gegründete Medienunternehmen hatte seinen Sitz früher im brandenburgischen Falkensee, inzwischen sitzt es in Stößen in Sachsen-Anhalt. Die Auflage des „Compact“-Magazins liegt nach Gerichtsangaben bei 40.000 Exemplaren, der Online-TV-Kanal erreicht bis zu 460.000 Klicks. 

Der Vorsitzende des 6. Senats, Ingo Kraft, zitierte in der mündlichen Verhandlung „Compact“-Chefredakteur Jürgen Elsässer mit den Worten: „Wir wollen das Regime stürzen“. Und wenn man dieses Ziel vor Augen habe, könne man auch entsprechende Texte schreiben. Kraft sagte, dass diese Äußerungen zwar von der Meinungsfreiheit gedeckt seien, aber es stelle sich die Frage, ob vor diesem Hintergrund für die GmbH das Vereinsrecht anzuwenden sei.

„Compact“-Rechtsanwalt Vosgerau relativierte die Äußerung Elsässers. Das Zitat sei zwar etwas „ruppig“, aber sei aber nicht geeignet, den Verdacht zu begründen, dass eine prinzipielle Beendigung des Rechtsstaatsprinzips angestrebt werde. Elsässer selbst betonte, dass es zwar vereinzelt rechte Autoren in dem Magazin gebe, „“Compact“ ist aber nicht rechts und schon gar nicht rechtsextrem“. 

Was sagt der „Compact“-Chef zum Verfahren? 

Elsässer zeigte sich vor der Verhandlung zuversichtlich. „Wir sind optimistisch, dass das Gericht eine demokratische Entscheidung trifft“, sagte der 68-Jährige. Begleitet wurde er von seiner Ehefrau Stephanie und Paul Klemm vom TV-Sender des „Compact“-Magazins. Es sei ein guter Tag, erklärte Elsässer und verwies darauf, dass er und seine Frau Hochzeitstag hätten. 

„In einer Demokratie kann man ein Magazin wie „Compact“ nicht verbieten. Denn „Compact“ verteidigt die freiheitliche-demokratische Ordnung gegenüber den autoritären Übergriffigkeiten der Regierung“, sagte Elsässer. „Wir wurden nie verurteilt wegen Inhalten.“

In der Verhandlung stellte sich der Chefredakteur als alleiniger Entscheider dargestellt. „Im Verlag bin ich der Diktator. Ich habe alles entschieden“, sagte der 68-Jährige. Die „Compact“-GmbH nicht als Verein bezeichnet werden.

Elsässer gab an, in dem Verlagshaus hätten etwa 30 Mitarbeiter nahezu rund um die Uhr gearbeitet. Dabei seien sie mit der Erstellung und Verbreitung der redaktionellen Arbeit voll ausgelastet gewesen. Statt Werbung zu schalten, habe man Pressefeste veranstaltet und die eigene „Rolle überhöht, als ob wir Teil einer Bewegung wären“. 

Falls gegen seine Erwartungen das Verbot bestätigt werde, sei „Compact“ sofort illegal. Zwar sei der Weg zum Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe möglich. Das habe aber keine aufschiebende Wirkung. „Wir sind auf alles vorbereitet“, sagte er. 

Wie blickt der Deutsche Journalisten-Verband auf das Verfahren? 

„Die Entscheidung hat eine grundsätzliche Bedeutung für die Meinungs- und Pressefreiheit“, hieß es vom DJV. Die zentrale Frage sei, ob sich eine „kämpferisch-aggressive Haltung der Vereinigung“ gegenüber der Verfassungsordnung belegen lasse. „Nur dann wäre ein vollständiges Verbot gerechtfertigt“, teilte der Verband auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit. 

Eine umfassende Gesamtbetrachtung schütze Medienorganisationen davor, aufgrund einzelner Äußerungen pauschal verboten zu werden. „Es muss verhindert werden, dass ein ganzes Magazin verboten wird, wenn nur ein Teilaspekt verfassungsfeindlich ist“, so der DJV. Denkbar seien auch Maßnahmen wie eine Einschränkung einzelner Beiträge, Veranstaltungsverbote oder Orts- und veranstaltungsbezogene Äußerungsverbote. 

Wie geht es weiter? 

Das Gericht befasst sich in der mündlichen Verhandlung eingehend mit der Verbotsverfügung und prüft die Argumente beider Parteien. Nach rund achtstündiger Verhandlung wurde die Verhandlung unterbrochen. Am zweiten Verhandlungstag sollen einzelne Äußerungen in den Magazinen und deren Bewertung im Zentrum stehen.

Es handelt sich dabei um Auszüge aus Belegstellen, die das Bundesinnenministerium auf mehr als 240 Seiten vorgelegt hat. Dabei geht es um Beispiele für die Verletzung der Menschenwürde, Verstößen gegen das Demokratieprinzip und die Rechtsstaatlichkeit sowie Rassismus und Antisemitismus. 

Derzeit ist nicht damit zu rechnen, dass noch in dieser Woche ein Urteil gesprochen wird. Denkbar ist, dass der Senat einen Verkündungstermin bekanntgeben wird.

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