
Schrumpfkopf, Mumien, Extremitäten: Dies alles wurde früher im Museum ausgestellt. Nun wird mit den menschlichen Überresten sensibler umgegangen.
Sensibler Umgang mit menschlichen Exponaten in Museums-Sammlungen: Das Gießener Museum soll laut eines Magistratsbeschlusses sogenannte „Human Remains“, zu Deutsch „menschliche Überreste“, grundsätzlich an deren Herkunftsländer zurückgeben dürfen. Anlass für den Beschluss von Ende Mai war die Forschung über einen Schrumpfkopf, wie Oberbürgermeister Frank-Tilo Becher (SPD) sagte. Die Stadtverordnetenversammlung müsse dem Beschluss in der Sitzung Anfang Juli noch zustimmen.
Die Herkunft des rund 140 Jahre alten Schrumpfkopfes ist bislang unklar, laut Auskunft des Ethnologen und wissenschaftlichen Museumsmitarbeiters Mário Jorge Alves könnte er aus Ecuador stammen. Ein Schrumpfkopf ist ein aus der Kopfhaut eines toten Menschen gefertigtes Präparat.
Vorfahren lebender Menschen
In dem Gießener Museum werden derzeit die Exponate darauf untersucht, ob es sich um „Human Remains“ handeln könnte. Hintergrund der aufwendigen Aktion ist ein neuer Umgang mit den menschlichen Überresten. „Früher wurden „Human Remains“ als Objekte behandelt und ausgestellt“, erklärte Alves. Dies geschehe nun nicht mehr, sondern es würden ethische Grundsätze beachtet. Man wolle ein Bewusstsein dafür schaffen, „dass es sich hier nicht um einfache Objekte handelt“, sondern um Vorfahren heute noch lebender Menschen.
Aus der Sammlung von rund 1.200 bis 1.500 Objekten wurden in dem Museum der Universitätsstadt bislang etwa 30 Exponate entsprechend gekennzeichnet, darunter offensichtliche Überreste wie Mumien, Skalp und Extremitäten. Bei anderen Exponaten, etwa Objekten mit eingearbeiteten Haaren oder Zähnen, ist die Identifizierung schwieriger. „Handelt es sich um einen menschlichen oder einen tierischen Zahn? Stammen die Haare von einem Menschen oder von einem Pferd?“, nannte Alves einige Fragen, die sich bei den Untersuchungen stellen.
Rückgabe nach Neuseeland
Laut einer Umfrage des hessischen Museumsverbands vor vier Jahren nach menschlichen Überresten in den Sammlungen hatten 8 Museen die Frage bejaht, 41 verneint und 4 angegeben, dass sie es nicht wüssten. 2023 seien zwölf menschliche Schädel aus der ethnographischen Sammlung des Museums Wiesbaden untersucht worden, erklärte die Referentin für Provenienzforschung des hessischen Museumsverbandes, Saskia Johann. Vor zwei Jahren wurde ein Schädel an Vertreterinnen und Vertreter der Maori und Moriori aus Neuseeland zurückgegeben.
Zum Umgang mit sensiblen Objekten läuft auch an der Marburger Philipps-Universität seit 2023 ein großes Projekt. Dabei wird auch die Herkunft einzelner Objekte der anatomischen Sammlung der Uni erforscht. Die meisten seien aus ethischer Sicht als kulturell sensibles Gut einzustufen, da sie aus und an menschlichem Gewebe gefertigt worden seien, heißt es auf der Website der Sammlung.
Marburger zeigen Sammlung nicht mehr
Hinzu käme, dass die Überreste in der Regel ohne Zustimmung des entsprechenden Menschen Teil der Sammlung geworden seien. „Wir müssen auch damit rechnen, dass ein Großteil der Präparationen aus asymmetrischen Machtverhältnissen und Unrechtskontexten heraus geschehen ist“, hieß es. Auch daher werde die Sammlung bereits seit 2021 nicht mehr gezeigt.
„Die Aufarbeitung menschlicher Überreste in den Sammlungen des Landes Hessen hat höchste Priorität“, heißt es aus dem Wissenschaftsministerium. Der Umgang mit solchen Überresten stelle die Museen vor große Herausforderungen – insbesondere, wenn die Herkunft ungeklärt sei oder sie auf ethisch und moralisch fragwürdige Weise in die Sammlungen gelangt seien. Vor diesem Hintergrund habe die Landesregierung verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die Einrichtungen bei der verantwortungsvollen Aufarbeitung und dem sensiblen Umgang zu unterstützen.