Bildung: Nachhilfe in der Grundschule aus Sorge um den Übertritt

  • April 26, 2025

Für den Wechsel an Realschule und Gymnasium gibt es in Bayern strikte Noten-Grenzen. Das sorgt für Druck bei Kindern wie Eltern – und verschafft einer Branche guten Umsatz.

Immer mehr Eltern in Bayern bezahlen schon in der Grundschule für Nachhilfeunterricht. Ziel ist meist ein möglichst gutes Übertrittszeugnis ihrer Kinder, um den Weg auf die Realschule oder das Gymnasium zu ebnen. Exakte Zahlen gibt es aktuell zwar nicht, doch ist der Trend Experten zufolge klar zu erkennen. 

Bis zu zehn Prozent aller Schülerinnen und Schüler der kommerziellen Anbieter seien noch im Grundschulalter, sagt etwa der Vorsitzende des Bundesverbands Nachhilfe– und Nachmittagsschulen, Patrick Nadler. Die meisten seien Viertklässler, gerade vor dem Übertrittszeugnis gebe es immer eine besonders große Nachfrage, um die letzten Schulaufgaben und Proben noch zu „retten“. Andere Kinder übten viele Stunden mit den Eltern, der älteren Nachbarstochter oder mit privat engagierten Nachhilfelehrkräften.

Übertrittszeugnis wichtig für die weitere Schullaufbahn

In Bayern enthält das Übertrittszeugnis, das die Viertklässler heuer am 2. Mai bekommen, eine Schullaufbahnempfehlung, die im Normalfall festlegt, welche weiterführende Schule die Kinder besuchen dürfen. Entscheidend dafür ist die Gesamtdurchschnittsnote in den drei Fächern Deutsch, Mathematik sowie Heimat- und Sachunterricht. 

Bei einem Schnitt von 2,66 oder besser können die Kinder eine Realschule, bei einem Schnitt von mindestens 2,33 ein Gymnasium besuchen. Diese Selektion im Alter von neun oder zehn Jahren sorgt seit langem für harsche Kritik, wird sich aber wohl nicht ändern, solange die CSU im Freistaat an der Macht ist.

 „Bundesländer, die anspruchsvoller sind und klare Grenzen haben für den Übergang, sind die, wo der Druck am höchsten ist und vermehrt Nachfrage nach Nachhilfe auftritt“, bilanziert Nadler. Aktuelle Daten gibt es nicht, doch ältere Studien haben gezeigt, dass zum Beispiel schon im Jahr 2007 sechs Prozent aller Grundschulkinder Nachhilfe erhalten haben – und oft der anstehende Übertritt den Ausschlag dafür gibt. 

Lehrerin: Enormer Druck und weinende Schüler

Ein Weg, den der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) nicht gutheißt. Wenn ein Kind alleine an seine Grenzen stoße und nur mit Nachhilfe auf eine höhere Schulform komme, litten durch das ständige Pauken oft Lernfreude und Lebensqualität, schildert die Leiterin der Abteilung Schul- und Bildungspolitik im BLLV, Sabine Bösl. Außerdem bedeute dies normalerweise, dass das Kind auch in den kommenden Jahren Nachhilfe brauchen werde. 

Bösl betont deshalb: „Eigentlich sollte ein Kind auf einer Schulart sein, wo es wirklich mit der normalen Anstrengung dem Ziel der jeweiligen Schulart gerecht wird.“ Die Rektorin der Quirin-Regler-Grundschule im oberbayerischen Holzkirchen erlebt seit Jahren immer stärker, wie viele ihrer Schülerinnen und Schüler gegen Ende der Grundschulzeit unter Druck stünden – meist noch verstärkt durch die Eltern. „Da wird zusätzlich geübt und gemacht und gelernt, damit das irgendwie noch klappt mit dem Übertritt.“ 

„Wir haben wirklich viele Kinder, denen das richtig zusetzt“, schildert Bösl die Folgen der Notenfixierung. „Das hat ganz stark psychische Folgen. Die Kinder, die dem nicht gerecht werden können, spüren das ganz deutlich.“ Die Folge: Kinder, die in Tränen ausbrechen, wenn sie in einer Probe eine Drei haben.

Elternverband: Nachhilfe verstärkt Bildungsungerechtigkeit

Vor dem Hintergrund, den die Bedeutung des Übertrittszeugnisses für die weitere Schullaufbahn hat, kann der Landesvorsitzende des Bayerischen Elternverbandes, Martin Löwe, den Griff zum vermeintlich rettenden Strohhalm Nachhilfe verstehen – auch wenn er ihn absolut nicht gutheißt. „So ist das System angelegt.“ Allerdings kritisiert er ebenso wie der Lehrer- und Lehrerinnenverband und renommierte Bildungsforscher, dass Nachhilfe die in Deutschland ohnehin große Bildungsungerechtigkeit verstärke. 

„Das unterstreicht eine Ungerechtigkeit in den Chancen, weil die Eltern, die ein entsprechend gefülltes Portemonnaie haben, ihr Kind besser fördern können als Eltern, die nicht so viel Geld haben“, sagt Löwe. Laut Nadler kosten 45 Minuten Einzelunterricht im bundesweiten Schnitt 18 bis 28 Euro, Gruppenunterricht sei für 8 bis 15 Euro zu haben – wobei Bayern eher teurer sei.

In München zum Beispiel bieten sich qualifizierte Nachhilfelehrer auf Vermittlungsportalen häufig für 40 Euro die Stunde an, unter 20 Euro findet sich so gut wie niemand. Immerhin können einkommensschwache Familien, die etwa Bürgergeld beziehen, Nachhilfeunterricht durch das Bildungs- und Teilhabepaket finanziert bekommen. Allerdings: Eine Übernahme der Kosten ist explizit ausgeschlossen, wenn es „nur“ um eine Verbesserung des Notendurchschnitts im Übertrittszeugnis geht.

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