
Zwei Männer auf einem Parkplatz in Herne erregen das Interesse einer Polizeistreife. Was sich aus der Routinekontrolle ergab, konnte sogar der ermittelnde Staatsanwalt zunächst kaum glauben.
Bei einer zufälligen Polizeikontrolle ist nach Überzeugung von Ermittlern in Herne im letzten Moment eine Entführung im Milieu der Organisierten Kriminalität verhindert worden. Dabei ging es angeblich um eine gestohlene Drogenfracht von bis zu sieben Tonnen Marihuana. „Ob das aber wirklich stimmt, wissen wir nicht“, sagte ein Staatsanwalt, der nicht genannt werden wollte. „Gefunden haben wir die Drogen nicht.“
Ein Chinese habe in Kanada eine Gruppe von Profi-Söldnern angeheuert, die die Drogen zurückzuholen sowie den Dieb fassen sollten, hieß es. Teil der Gruppe seien zwei Letten gewesen, die daraufhin nach Deutschland gereist waren, heißt es nun in einer Anklage der Einheit für Organisierte Kriminalität der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft.
Die beiden 29 und 37 Jahre alten Letten müssen sich bald unter anderem wegen Verabredung zum erpresserischen Menschenraub vor dem Düsseldorfer Landgericht verantworten, wie eine Gerichtssprecherin mitteilte. Der Gruppe hätten auch mehrere ehemalige Fremdenlegionäre angehört, Anführer der Truppe sei ein ehemaliger Offizier der französischen Fremdenlegion gewesen, der noch gesucht werde.
Professionelles Equipment
Die Söldner hätten den angeblichen Marihuana-Dieb, einen Albaner, eine Weile gesucht und schließlich im Ruhrgebiet gefunden und observiert, berichtete der Staatsanwalt. Zwischen 200 und 1.000 Euro Tageshonorar hätten sie kassiert. Insgesamt seien 55.000 Euro gezahlt worden. Von besonderem Interesse sei bald eine Lagerhalle in Oberhausen gewesen, in der die gestohlenen Drogen vermutet wurden.
Bei der Observation des Albaners sollen die Letten professionelle Observations- und Gegenobservationstechnik wie GPS-Sender, Drohnen, Kameras, GPS-Detektoren, Walkie-Talkies, Ferngläser und sogenannte Jammer zur Störung fremder Überwachungstechnik benutzt haben. Für die geplante Entführung hatte sich die Gruppe zudem mit Handschellen, Kabelbindern, Spezialscheren, Cuttermessern, Elektroschockern, Druckluftwaffen sowie Tierabwehrspray ausgerüstet.
Am 26. Oktober 2024 sollen die Angeklagten auf die Rückkehr des Albaners zu seinem Wagen gewartet haben. Gegen 19.40 Uhr hätten sie eine Drohne über dem Gebiet aufsteigen lassen, um sich einen Überblick über die Gegend zu verschaffen und sich auf die geplante Entführung vorzubereiten.
„Totaler Zufall“
Dann seien einer Polizeistreife die in einem Auto auf einem Parkplatz wartenden Männer aufgefallen. „Das war wirklich totaler Zufall“, versicherte der Staatsanwalt. Bei der Kontrolle hätten die Beamten zunächst nichts Verdächtiges bemerkt, bis ihr Blick zum Schluss ins Ablagefach der Beifahrertür fiel: Aus dem ragte ein Magazin einer Druckluftwaffe heraus. Die beiden Letten wurden festgenommen, ihre in der Gegend postierten Teamkollegen machten sich aus dem Staub.
In den Chat-Nachrichten der sichergestellten Handys konnten die Ermittler dann nachlesen, was die Verdächtigen im Schilde führten. Unabhängig davon, ob die Geschichte mit der gestohlenen Drogenladung stimmt: Ganz unschuldig soll das potenzielle Entführungsopfer nicht sein. „Er sitzt wegen einer anderen Drogensache in Spanien in Auslieferungshaft“, sagte der Staatsanwalt.
Der Prozess gegen die beiden Angeklagten beginnt am 15. Juli. Das Landgericht hat bis Mitte August acht Verhandlungstage vorgesehen.
Eine gestohlene große Menge Marihuana soll auch der Auslöser für eine Gewalteskalation im vergangenen Jahr im Ruhrgebiet und in Köln gewesen sein. Die vermeintlichen Drogendiebe waren entführt und gefoltert worden. Dann kam es zu einer Reihe von Explosionen vor Wohn- und Geschäftshäusern, die ebenfalls im Zusammenhang stehen sollen.