
Eigene Währungen, Fantasiedokumente und ein Online-Shop: „Reichsbürger“ versuchen auch in Hessen ein unabhängiges Wirtschaftsnetz zu weben. Wie kontern Staat, Verbraucherzentrale und Bürger?
Drang nach Unabhängigkeit vom Staat: „Reichsbürger“ haben sich in Hessen teils eigene wirtschaftliche Strukturen geschaffen. Wie Innenminister Roman Poseck (CDU) auf eine Anfrage mehrerer Grünen-Abgeordneter im Wiesbadener Landtag mitteilte, sind dem Landesverfassungsschutz sechs Unternehmen bekannt, die „sich selbst als sogenannter Betrieb im „Königreich Deutschland“ bezeichneten“.
Die gleichnamige „Reichsbürger“-Gruppierung ist seit Mai 2025 verboten. „Reichsbürger“ erkennen die Bundesrepublik Deutschland nicht als Staat an.
Poseck erklärte zu den mitwirkenden Unternehmen: „Zwei Betriebe stammen aus der Lebensmittelbranche und zwei Betriebe sind esoterischen Bereichen zuzuordnen.“ Hinzu kämen eine Fahrzeugaufbereitung und ein Fotostudio. Laut dem Minister suggerierte das „Königreich Deutschland“ seinen Unternehmen, sie könnten sich so „von der Steuerpflicht gegenüber der Bundesrepublik Deutschland befreien“.
Keine Lust auf Steuererklärung
Tatsächlich gäben „Reichsbürger“ oft keine Steuererklärung ab. Dann würden ihre Steuern geschätzt. Bei ausbleibender Zahlung werden nach Aussage des Ministers „Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet. In der Folge kommt es bei Vorliegen eines Anfangsverdachts zur Einleitung eines Steuerstrafverfahrens in den jeweiligen Einzelfällen.“
„Reichsbürger“ schaffen laut Poseck auch alternative Währungen, um einen autarken Wirtschaftskreislauf unabhängig der Euro-Wirtschaft in Schwung zu bringen. Dafür habe das „Königreich Deutschland“ den Umtausch von Euro in die Fantasiewährung „E-Mark“ für digitale Finanzgeschäfte und „Neue Deutsche Mark“ für Barzahlungen ermöglicht. Waren und Dienstleistungen seien für „E-Mark“ etwa über die Onlinehandelsplattform „KaDaRi.net“ vertrieben worden – auch von den sechs genannten hessischen Unternehmen im Fokus des Landesverfassungsschutzes.
„Reichsbürger“-Restaurant
Weiterhin haben „Reichsbürger“ in Hessen nach Worten des Innenministers Grundstücke zu kaufen versucht. 2021 habe der dem „Königreich Deutschland“ zuzurechnende Verein „Fairteilen“ mehrere Kommunen nach Flächen von drei bis 50 Hektar „für die Einrichtung eines Gemeinwohldorfes“ angefragt. 2022 hätten Bürger und Behörden in Hasselroth im Main-Kinzig-Kreis die Einrichtung eines Lebensmittelgeschäfts und Projektzentrums des „Königreiches Deutschland“ verhindert. Ebenfalls 2022 habe der dem „Königreich“ zuzurechnende Verein „Lebensglück“ in Frankfurt das Restaurant „Rohkosteria“ eröffnet. Anfang 2023 sei es schon wieder geschlossen worden.
Manche „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ sind laut Poseck auch mit dem Verkauf von Fantasiedokumenten und Flaggen sowie der Organisation von Vorträgen aufgefallen – für ihren Lebensunterhalt und zur Verbreitung ihrer Ideologie. Einige Gruppierungen verkaufen dem Minister zufolge „Merchandise-Artikel“, etwa der bundesweit aktive „Vaterländische Hilfsdienst“.
Abmahnungen und Klagen
Poseck ergänzte: „Mit 29 Abmahnungen und sieben Klageverfahren ist die Verbraucherzentrale Hessen im Rahmen des kollektiven Verbraucherschutzes gegen Unternehmen vorgegangen, die zum „Königreich Deutschland“ zählen. Grund waren jeweils falsche Impressen oder unwirksame AGBs (Allgemeine Geschäftsbedingungen).“ Beim Oberlandesgericht Düsseldorf habe die Verbraucherzentrale eine Entscheidung erstritten, die zu einer deutlichen Einschränkung der Geschäftstätigkeit des „Königreiches“ geführt habe.