Bundesverfassungsgericht: Ramstein und US-Drohnen – Gericht sieht keine Schutzpflicht

  • Juli 15, 2025

Das Bundesverfassungsgericht erweitert Deutschlands Schutzauftrag bei Menschenrechten im Ausland. Es kommt aber auf den Einzelfall an. Was das Urteil konkret bedeutet.

Deutschland kann in Einzelfällen auch für Ausländer im Ausland zum Schutz von Menschenrechten und Völkerrecht verpflichtet sein. Bei Drohnenangriffen der USA, die technisch über die Air Base Ramstein in der Pfalz gesteuert werden, ist dies aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts aber nicht der Fall. Das höchste deutsche Gericht in Karlsruhe wies eine Verfassungsbeschwerde zweier Jemeniten zurück. (Az. 2 BvR 508/21)

Bedingungen für Eingreifen Deutschlands

Mit dem Urteil geht der Zweite Senat aber über die bisherige Rechtsprechung des Verfassungsgerichts hinaus, wie die Vorsitzende Richterin Doris König sagte. Er stellt zwei Bedingungen dafür auf, dass aus einem allgemeinen Schutzauftrag eine konkrete Schutzpflicht wird.

Zum einen müsse es einen hinreichenden Bezug zur Staatsgewalt der Bundesrepublik geben, erläuterte König. Zweitens müsse eine ernsthafte Gefahr der systematischen Verletzung des anwendbaren Völkerrechts vorliegen. Dies müsse für den Einzelfall geprüft werden.

Dabei spiele die Einschätzung der für Außen- und Sicherheitspolitik zuständigen Stellen des Bundes eine wichtige Rolle, heißt es im Urteil. Auch müsse eine Schutzpflicht gegenüber im Ausland lebenden Menschen nicht den gleichen Inhalt haben wie gegenüber Menschen im Inland. 

Verteidigungsministerium und Auswärtiges Amt werteten dies als Beleg dafür, dass die Bundesregierung einen weiten Beurteilungsspielraum habe, wenn es um die Völkerrechtskonformität des Handelns dritter Staaten gehe. Der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium, Nils Schmid (SPD), sprach von „Beinfreiheit der Bundesregierung in der Zusammenarbeit mit Bündnispartnern in der Außen- und Sicherheitspolitik“.

Tödlicher Angriff im Jemen

Im konkreten Fall ging es um die Verfassungsbeschwerde von zwei jemenitischen Staatsangehörigen wegen der US-Drohneneinsätze. Ihr Fall beschäftigt die deutsche Justiz seit mehr als zehn Jahren.

Im August 2012 waren zwei Männer im Jemen durch einen US-Drohnenangriff ums Leben gekommen. Sie wurden bei einem Treffen mit drei mutmaßlichen Mitgliedern der Terrororganisation Al-Kaida getötet. Laut den Beschwerdeführern handelte es sich bei den Getöteten um einen Polizisten und einen Geistlichen, der gegen Al-Kaida in der Region gepredigt hatte. 

Ihre Verwandten klagten sich seit 2014 in Deutschland durch die Instanzen und reichten zuletzt Beschwerde in Karlsruhe ein. Sie beriefen sich auf das im Grundgesetz festgeschriebene Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit und sehen auch die Bundesregierung in der Verantwortung, weil der Militärbasis Ramstein in Rheinland-Pfalz eine bedeutende Rolle zukomme. 

Ramsteins Rolle 

Die amerikanischen Streitkräfte hatten das Verteidigungsministerium 2010 informiert, dass auf dem Gelände in Ramstein eine Satelliten-Relais-Station zur Steuerung auch waffenfähiger Drohnen im Ausland gebaut werde. Wegen der Erdkrümmung können Drohnen über dem Jemen nicht direkt aus den USA ferngesteuert werden. Das Ministerium sah laut Gericht keine Bedenken.

Gerichte in Deutschland entschieden unterschiedlich: Das Oberverwaltungsgericht Münster verurteilte die Bundesrepublik 2019 dazu, aktiv nachzuforschen, ob Drohneneinsätze der USA im Jemen unter Nutzung des Militärstützpunkts gegen Völkerrecht verstoßen. Diese Entscheidung kassierte das Bundesverwaltungsgericht aber im folgenden Jahr. 

Ihm reichte nicht aus, dass Ramstein technisch für das US-Drohnenprogramm bedeutsam sei. Es müssten konkrete Entscheidungen auf deutschem Boden stattfinden, damit die grundrechtliche Schutzpflicht Deutschlands auch für Ausländer im Ausland gelte, argumentierte das Bundesverwaltungsgericht.

Karlsruhe verneint systematische Gefahr

Bei ihrer Prüfung kamen die Verfassungsrichterinnen und -richter nun zu dem Schluss, dass keine ernsthafte Gefahr einer systematischen Verletzung der völkerrechtlichen Regeln zum Schutz des Lebens vorliege – was Voraussetzung für eine konkrete Schutzpflicht wäre. „Insbesondere konnte nicht festgestellt werden, dass die USA in dem nicht internationalen bewaffneten Konflikt im Jemen unvertretbare Kriterien zur Abgrenzung legitimer militärischer Ziele von geschützten Zivilpersonen anwenden“, sagte Richterin König.

Weil diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, ließ der Senat offen, ob der Bezug zur deutschen Staatsgewalt aufgrund der in Ramstein genutzten Technik hinreichend ist. Laut den Ausführungen gibt es Argumente dafür und dagegen.

Kläger: „Urteil ist gefährlich und erschütternd“

Das Verteidigungsministerium hatte schon zur Verhandlung im Dezember erklärt, man befinde sich in einem „fortlaufenden und vertrauensvollen Dialog“ mit den USA zur Nutzung der Air Base. Dabei sei wiederholt versichert worden, „dass Einsätze von unbemannten Luftfahrzeugen von Deutschland aus in keiner Weise gestartet, gesteuert oder befehligt werden und dass die US-Streitkräfte bei ihren Aktivitäten geltendes Recht einhalten“. 

Aus Sicht der Kläger ist das zu wenig. „Ohne Ramstein könnten die Drohnenüberflüge in der Zahl gar nicht stattfinden“, hatte Andreas Schüller vom European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), das die Beschwerdeführer unterstützt, gesagt. Nach der Verkündung des Urteils sagte er: „Es führt nicht zu einer Anerkennung des Unrechts, das sie erlitten haben.“ 

Die Kläger Ahmed und Khaled bin Ali Jaber sagten laut einer Mitteilung des ECCHR: „Dieses Urteil ist gefährlich und erschütternd: Es vermittelt die Botschaft, dass Staaten, die das US-Drohnenprogramm unterstützen, keine Verantwortung tragen, wenn Zivilisten dabei getötet werden.“

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