Sorge wegen Vorfällen: Beauftragter: Bedrohlicher Alltag für Juden in Berlin

  • August 6, 2025

Mit der Kippa oder der Kette mit Davidstern vor die Haustür? Vielen Jüdinnen und Juden sei das im Moment zu gefährlich, sagt der Berliner Antisemitismus-Beauftragte.

Berlins Antisemitismus-Beauftragter Samuel Salzborn sieht die Hauptstadt weiterhin nicht als sicheren Ort für jüdische Menschen. „Wir haben nach wie vor eine hoch angespannte Sicherheitslage“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Einerseits gebe es immer wieder israelfeindliche antisemitische Aktionen, etwa bei Demonstrationen oder an Hochschulen. „Zudem haben wir die Situation, dass Jüdinnen und Juden in ihrem Alltag massivst eingeschränkt sind.“ 

Salzborn spricht von einem „bedrohlichen Alltag“, der eher unter der Oberfläche stattfinde. „Er ist gar nicht so sichtbar, sondern veralltäglicht. Das, was wir eigentlich wollten in Deutschland, das alltägliche Umgehen mit jüdischem Alltag, ist mittlerweile völlig gekippt“, sagte er. „Heute ist es eine Alltagssituation, bei der Jüdinnen und Juden in allen nur erdenklichen Konstellationen eben gucken: Wer nimmt sie wahr? Wie gefährlich ist es jetzt gerade?“

Nicht direkt zur Synagoge

Und weiter: „Es heißt immer noch, man kann erkannt werden an einer Kette mit Davidstern. Ich glaube, die allermeisten jüdischen Menschen würden sich gar nicht mehr mit einer Kippa vor die Haustür trauen.“ Jüdischen Schulen, jüdische Einrichtungen, jüdische Kitas seien bekannte Orte. „Ich höre immer wieder auch Berichte, dass Menschen, die sich zur Synagoge mit einem Taxi fahren lassen, dem Fahrer nicht sagen, wo sie hinfahren wollen, sondern sich drei Straßen weiter raussetzen lassen, und dass man sich nicht direkt zu Hause abholen lässt.“ 

Probleme bei Essensbestellung

Andere fürchteten, von Essens-Lieferdiensten durch ihre Namen oder Symbole an der Haustür als Juden identifiziert zu werden. „Es gibt die Alltagssituation, dass jemand mit einem Namen, der als hebräisch, jüdisch, wie auch immer identifiziert wird, sich bei einem Lieferdienst etwas bestellt und dann leider an einen Menschen gerät, der mit einer antisemitischen Einstellung dann dementsprechend reagiert“, schildert Salzborn. „Es sind diese ganzen niedrigschwelligen Dinge, die den Alltag extrem bedrohlich machen, mit Kleinigkeiten, mit Selbstverständlichkeiten erkannt zu werden.“ 

Polizei extrem wachsam“ 

Den Sicherheitsbehörden attestierte Salzborn eine gute Arbeit im Kampf gegen Antisemitismus. „Wenn wir nicht so hervorragend arbeitende Behörden wie die Berliner Polizei und auch die Staatsanwaltschaft in diesem Zusammenhang hätten, dann wäre die Lage viel, viel katastrophaler.“ Durch erhöhte Schutzmaßnahmen nach dem Hamas-Massaker in Israel am 7. Oktober 2023, auf das der bis heute andauernde Gaza-Krieg folgte, sei viel verhindert worden. 

„Ich glaube, unsere Polizei in Berlin ist da extrem wachsam, aufmerksam und hat das Thema absolut auf der Agenda. Sie tut alles und mehr als das, was möglich ist“, so Salzborn. „Aber es ändert eben auch nichts an der Realität. Wir leben in einer freien Gesellschaft. Es gibt nicht überall Videoüberwachung, es gibt nicht überall eine Polizeistreife, die vor Ort ist, sondern es gibt diese Alltagssituationen, dass jemandem in der U-Bahn eine Kette mit einem Davidstern aus dem T-Shirt rutscht.“

Jeder einzelne gefragt  

Salzborn wünscht sich von allen Bürgern eine Reaktion, wenn Jüdinnen und Juden antisemitisch beleidigt oder körperlich angegriffen werden. „Ich glaube, dass es viele Menschen gibt, die in dem Moment zum Hörer greifen, die Polizei rufen.“ In anderen Fällen nähmen indes nicht alle Umstehenden solche Attacken als Problem wahr und reagierten. 

„Insgesamt ist die Lage einfach immer noch, ich sage es mal diplomatisch, unterausgeprägt, was Hilfestellung in solchen Situationen angeht.“ Das gelte auch bei anderen Diskriminierungen. „Aber bei Antisemitismus, glaube ich, ist es auch noch mal ganz besonders ein Problem.“

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