Wein und Hitze: Klimawandel im Weinberg: Bäume sollen Reben helfen

  • August 12, 2025

Können Kastanie, Quitte oder Flatterulme die Folgen des Klimawandels im Weinbau mildern? Das erproben Winzer und Wissenschaftler.

Die Sonne brennt vom nahezu wolkenlosen Himmel auf die Weinreben herunter. Kein Schatten weit und breit, aber überall staubtrockener Boden zwischen den Rebzeilen – und Sonnenbrandgefahr für die Trauben. Der Klimawandel stellt auch Winzer vor wachsende Herausforderungen. Das Bio-Weingut Hemer im rheinhessischen Worms-Abenheim reagiert unter anderem, indem Bäume zwischen die Reben gepflanzt werden. 

„Vitiforst“ werden solche Projekte genannt, die außer Schatten noch eine Reihe anderer Vorteile für den Weinbau versprechen. Vitis ist lateinisch für Rebe. Auch die Wissenschaft interessiert sich für diesen Ansatz. 

„Es geht vor allem um den Wasserhaushalt“, erläutert Winzer Felix Hemer an einem heißen Tag neben einer Flatterulme im Weinberg. Aber auch um den Schutz und die Entwicklung der Trauben, um Biodiversität – und darum, für die Zukunft gewappnet zu sein. Die Lese beginne inzwischen jedes Jahr einige Wochen früher als noch in seiner Kindheit, als er seine Großeltern begleitete, berichtet der 32-Jährige. 

Welche Vorteile Bäume genau bringen, wird erforscht

„Inwieweit durch Bäume ein Benefit für die Reben herauskommen kann“, untersucht die Hochschule in Geisenheim im Rheingau. Nach Vorversuchen mit Baumarten seien dafür Ende 2023 auf 2,5 Hektar Esskastanien und Quitten gepflanzt worden, berichtet Projektleiter Professor Manfred Stoll. 

2024 kam die pilzwiderstandsfähige (Piwi) Weißweinsorte Souvignier gris dazu. Bäume und Reben wurden auf vier Versuchsfeldern unterschiedlich angeordnet, um Vergleiche zu ermöglichen. 

Es gehe bei „Vitiforst“ darum, die Monokultur Weinberg aufzubrechen, die Landschaft biodiverser zu machen, Kohlenstoff im Boden zu speichern und die Effekte von Trockenperioden abzumildern, heißt es auf der Homepage der Hochschule.

Stoll, der dort das Institut für allgemeinen und ökologischen Weinbau leitet, rechnet auch mit Veränderungen bei der Windbrechung durch die Bäume und der Möglichkeit für die Reben, aus tieferen Bodenschichten Wasser zu holen, eine Art hydraulischer Lift.

Sind Trauben in Baumnähe gesünder?

Das DLR Rheinhessen-Nahe-Hunsrück nimmt an, dass tief wurzelnde Bäume den Boden auflockern, die Durchlüftung und somit das Wurzelwachstum der Reben fördern. Das DLR (Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum) betreibt ebenfalls eine „Vitiforst“-Anlage – mit Eisbeere, Baumhasel, Winterlinde und Pappel. Sie ist Teil mehrerer Versuche zur Klimaanpassung. Im Fokus des Langzeitversuchs stehen Boden, Biodiversität und Auswirkungen auf Traubengesundheit und Ertrag. 

Die Fachleute vom DLR gehen davon aus, dass das Laub und die Wurzelausscheidungen den Nährkreislauf im Boden anregen, vor Erosionen des Bodens schützen und seine Wasserspeicherkapazität verbessern könnten. Der Baumschatten solle das Mikroklima verbessern und der Bewässerungsbedarf damit sinken. 

Mit belastbaren Ergebnissen der vier Baumreihen in der Niersteiner Weinbergslage „Obere Streng“ sei allerdings erst in einigen Jahren zu rechnen, heißt es beim DLR. Denn Bäume und Reben wurden erst 2024/25 gepflanzt. In der rheinhessischen Anlage werden wie im Rheingau Auswirkungen der Bäume auf die Piwi-Sorte Souvignier gris untersucht. Dazu kommt noch die beliebteste deutsche Rebsorte, der Riesling. 

Winzer Hemer sieht eine Investition in die Zukunft

Hemer spricht bei den Bäumen in seinem Familienbetrieb von einer Investition in die Zukunft. „Heiß, trocken, feucht – jedes Jahr gibt es ein neues Extrem.“ Um das Weingut herum bauten viele auch ausschließlich Wein an, solche Monokulturen müssten aufgebrochen und die Biodiversität gestärkt werden. 

Das Weingut Hemer hat ganz verschiedene Baumarten gepflanzt. 2023 ging es mit 80 Bäumen auf 1,5 Hektar los. Bei der Wahl der Bäume sei vor allem wichtig: Welche Sorten haben mit dem Klimawandel in Deutschland eine Zukunft? Sind sie heimisch? Nehmen sie den Reben vielleicht sogar Wasser weg? 

Nicht einfach ist auch die Bestimmung des genauen Orts. Die Bäume dürfen die Lese nicht viel schwerer machen. „Wir müssen maschinell ernten können“, sagt Hemer. Und sie sollen so stehen, dass ihre Blätter später eine Fläche einmal am Tag komplett beschatten. 

Patenschaften für Wein-Bäume 

Auch andere Weingüter setzen seit einigen Jahren auf schattige Bäume. Einige vergeben sogar Patenschaften für die Pflanzen: Das Weingut Engelmann-Schlepper in Eltville im Rheingau etwa bietet in seinem Onlineshop zwei unterschiedlich teure Baum-Patenschaften im Weinberg.

Im Bio-Weingut Staffelter Hof im Moselort Köv können Interessierte seit einigen Monaten auch Pate eines Baums im „Weinwald“ der Piwi-Sorten werden. 2020 habe das Weingut angefangen, Bäume zu pflanzen. Ziel sei es CO2-neutral zu produzieren, erläutert Verwalterin Laura Alt das Ziel. 

Winzer Jan Matthias Klein habe eine Möglichkeit gesucht, ökologischen und für den Klimawandel beständigen Wein zu produzieren. „150 Bäume gibt’s bereits und 800 Hecken und Sträucher – die wurden mit freiwilligen Helfern in zwei Pflanzaktionen im November 2023 und 2024 gepflanzt“, berichtet Alt.

Erste Erfolge an der Mosel

„Wir haben auch Nistkästen und Fledermaushäuschen angebracht.“ Die Biodiversität habe sich bereits verbessert. „Letztes Jahr mussten wir die Reben dort nur ein einziges Mal spritzen – die üblichen Rebsorten haben 14 Anwendungen im Vergleich bekommen müssen.“ Gerade die Piwis kämen im Weinwald noch viel besser zur Geltung. „Die Rückmeldungen sind fantastisch, und ich bin überzeugt, dass man ökologisches Handeln im Weinberg total schmecken kann.“

Wissenschaftler appelliert an Städte und Gemeinden 

Projektleiter Stoll sieht aber nicht in erster Linie die Winzer in der Pflicht. Die Kulturlandschaften in Deutschland hätten sich in den 1950er bis 1980er Jahren vielerorts vollkommen verändert, sagt der Wissenschaftler und gelernte Winzer. Bäume und Hecken seien massenhaft der Flurbereinigung und Erbteilung gewichen. Nun müsse die Biodiversität wieder verstärkt werden. Dabei seien auch die Kommunen gefragt. Die Stadt Geisenheim beispielsweise habe bereits versiegelte Wasserrinnen wieder aufgebrochen und damit dazu beigetragen, dass Wasser wieder langsamer versickern könne.

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