Meinung: Habt ihr ’nen Howgh? Warum wir über den Manitu-Film lachen dürfen

  • August 12, 2025

Wie viel Winnetou ist bei uns noch erlaubt? stern-Autor David Baum wünscht sich anlässlich von Bully Herbigs neuem Manitu-Films, dass das Lachen den Furor überwiegt.

Auf dem Weg ins österreichische Urlaubsörtchen Mattsee kommt man an einem Ferienlager vorbei, das aus Wigwams besteht. Beim Vorüberfahren sieht man blonde Jungs auf einem Brettergestell kauern, die Wangen haben sie mit Farbe beschmiert, durch ein selbst gebasteltes Guckrohr wird irgendwas in der Ferne ausgespäht. Die Szene ist unschwer zu dechiffrieren: Die drei spielen Indianer.

Man prüft sich im Vorüberfahren selbst. Ist das vielleicht bereits der sprichwörtliche „alte weiße Mann“ in uns, der uns in diesem Moment eher mit Rührung auf das Spiel der Kinder blicken lässt? Man verspürt zumindest keinerlei Impuls, ihnen zu erklären, dass sie möglicherweise „rassistische Stereotype des edlen Wilden“ reproduzieren.

Klischee oder Kulturgut?

So lautete einer der Vorwürfe, als vor drei Jahren der Kinderfilm „Der kleine Häuptling Winnetou“ in die Kinos kam, ein begleitendes Buch vom Markt genommen wurde und eine hitzige Debatte entbrannte. Der stern stritt damals eifrig mit, man konnte auch innerhalb der Redaktion feststellen, dass die unterschiedlichen Positionen oft auseinanderklafften und unversöhnlich zueinanderstanden. Wie so oft in postkolonialistisch motivierten Debatten zeigte sich, dass es auch eine Generationenfrage ist, ob die Kostümierung als Klischee eines nordamerikanischen Ureinwohners zum deutschen Kulturgut gehört und insofern unter einer Art Naturschutz zu stehen habe – oder sich besser aus der Gegenwart entfernen möge.

Vom geliebten Indianer-Mythos wollen sich jedoch auch aufgeschlossene Boomer ungern lösen, die ansonsten verinnerlicht haben, dass die Verbannung von „N-Wort“ und „Z-Wort“ den allgemeinen Sprachgebrauch nicht ärmer macht und dass sich keine größere Identitätskrise einstellt, wenn man in Berlin die U2 an der Anton-Wilhelm-Amo-Straße verlässt statt wie bisher an der Mohrenstraße.

Das liegt einerseits an den persönlichen Erfahrungen und Erinnerungen, die nichts mit Diskriminierung und Verächtlichmachung zu tun hatten. „Rückblickend war die Kindheit und Jugend in den Siebzigern und Achtzigern aufregend, unbeschwert und frei“, erinnert sich Vince Ebert, ehemaliger Moderator eines ARD-Wissensmagazins und inzwischen woke-kritischer Comedian. „Wir verbrachten den Tag bis zum Abendessen draußen. Wir kickten Fußball oder spielten Cowboy und Indianer.“ 

Ebert sitzt auch am Mattsee, auf der gegenüberliegenden Seite des Ferienlagers. Zwei Tage nach der Premiere von „Kanu des Manitu“ erscheint sein neues Buch „Wot Se Fack, Deutschland?“, in dem er sich weniger über die Zumutungen einer politisch korrekten Gesellschaft lustig macht, als dass er diese bedauert. Die wachsende Zahl der Comedians, die eine Einschränkung ihrer künstlerischen Freiheit beklagen, ist ein Problem für sich. Schließlich spiegelt sich in Satirikern, Komödianten und Kabarettisten seit jeher der Freiheitsgrad einer jeweiligen Gesellschaft. Was würde der große Helmut Qualtinger sagen, wenn er seinen Indianer-Schlager „Schnucki, ach Schnucki, fahr ma nach Kentucky“ nicht mehr singen dürfte?

Bully Herbigs „Schuh des Manitu“ gehört zur Rezeptionsgeschichte von Winnetou

Es gibt einen weiteren Grund, weshalb viele so nachhaltig am Indianer-Mythos festhalten: Sie haben mit einigen ihrer Argumente sachlich recht. Die Geschichte beginnt nicht mit dem literarisch begabten Schwindler Karl May; schon Adelbert von Chamisso dichtete romantische Zeilen über die beeindruckenden Indigenen des fernen Nordamerikas, und Johann Wolfgang von Goethe las begeistert den „Lederstrumpf“-Epos. 

Und ganz besonders sei Karl May „kein Rassist und kein Antisemit“ gewesen, sagt der Literaturwissenschaftler Helmut Schmiedt gegenüber dem stern. Vielmehr habe er „die Vernichtung der indianischen Bevölkerung in den USA beschrieben und angeklagt“. Auch wenn der 1842 geborene Romancier, der es bis heute auf eine Gesamtauflage von über 200 Millionen gebracht hat, von kolonialistischen Mustern seiner Zeit „nicht unbeeindruckt“ gewesen sei, habe er den bedrohten Native Americans mit seinen Winnetou-Romanen ein Denkmal setzen wollen. Ergo: Sollen doch den Bismarckdenkmälern zur Kontextualisierung Clownsgesichter gemalt werden und alle Pippi-Langstrumpf-Bücher sensibel umgetextet werden, Karl Mays Werk aber möge unangetastet bleiben.

Entsprechend empört war die May-Bewegung im Jahr 2001, als Michael Bully Herbigs „Schuh des Manitu“ in die Kinos kam. Heute zählt die Komödie längst zur Rezeptionsgeschichte des Gesamtkunstwerks. Herbig, der nicht nur den treuherzigen Häuptling Abahachi, sondern auch dessen superqueeren Bruder und Betreiber der „Rosa Rumba Ranch“ Winnetouch verkörpert, sah sich im Vorfeld heftiger Kritik ausgesetzt. Weil auch die Persiflage auf Indianerfiguren der Karl-May-Filme aus den 1960ern bereits die Würde der American Natives verletzt habe.

Herbig und seine Kompagnons Christian Tramitz und Rick Kavanian sind eben nicht Didi Hallervorden oder Monika Gruber. Sie gehören ausdrücklich nicht zu jener größer werdenden Gemeinde von Comedians, die hinter jeder Kritik an abgeschmackten Pointen eine woke Reichskulturkammer vermuten, die sie zu zensieren versuche.

„Das Kanu des Manitu“: Entspannt euch, es ist okay

Herbig ist ein schlauer Filmemacher und ein Meister seines Fachs, er hat nach „Der Schuh des Manitu“ anspruchsvolle Filme gedreht, als Gastgeber der Comedy-Show „Last One Laughing“ viele Formen von Comedy studiert. Nun versucht er mit „Das Kanu des Manitu“ eine Art komödiantischen Salto mortale. Er will beweisen, dass diese Art von Humor zeitgemäß umsetzbar ist. In vielerlei Hinsicht gelingt ihm das. Die Flachwitze, Wortspiele und typischen Kalauer, die zu Bully-Filmen gehören, sind frisch aufpoliert und funktionieren wie ehedem. Das Zwerchfell weiß nichts von Niveau.

Bully Herbig will aber noch viel mehr, er sucht mit diesem Film nach Versöhnung. Vermutlich hat er sich genau angeschaut, wie sich Vertreter der in Deutschland lebenden „First Nation“ in früheren Winnetou-Debatten verhalten haben. „Deutschland hat so unterschiedliche Dialekte und Kulturen, ebenso ist es bei uns“, hat etwa Kendall Old Elk, Angehöriger der Apsaalooke, gesagt. Ist es nicht das, was Herbig in seiner Komödie launig umsetzt, indem er alle handelnden Figuren Bayerisch oder Sächsisch sprechen lässt? Geschickt hat er im „Kanu des Manitu“ stereotype Figuren ausgelagert, er lässt die betroffenen Gruppen die Witze über sich selbst reißen. Etwa mittels eines Gastauftritts des TikTokers Tutty Tran, eines Deutsch-Vietnamesen, der sich vor Millionen von Followern über seinen Vater lustig macht.

Im Finale wird Herbig sogar pathetisch und lässt Angehörige der Apachen eine Ansprache halten, die sich nur vordergründig an die Filmfiguren, aber doch recht eindeutig auch an die deutsche Debatte richtet. Ohne zu viel spoilern zu wollen, sei die Grundmessage verraten: Entspannt euch, es ist okay.

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