
Harald Christ gilt als hervorragend vernetzt im politischen Berlin. Im Interview erzählt der Kommunikationsexperte, was er der Bundesregierung empfiehlt.
100 Tage nach ihrem Start fordert der politisch gut vernetzte Unternehmer Harald Christ die Bundesregierung zu mehr öffentlicher Geschlossenheit auf. „Was die Menschen da draußen sehen, ist zu häufig Zank und Frust und nicht konstruktives Verhalten“, sagte der Kommunikationsexperte der Deutschen Presse-Agentur.
Die Regierung ist an diesem Mittwoch (13. August) seit 100 Tagen im Amt. Einer Umfrage von RTL/ntv zufolge ist nicht einmal jeder Dritte mit der Arbeit von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zufrieden. 29 Prozent äußerten sich entsprechend, 67 Prozent sind demnach unzufrieden.
Christ zog hingegen grundsätzlich eine positive Bilanz: Man habe sich schon vorab auf das gewaltige Sondervermögen und dann auf einen „Koalitionsvertrag des Machbaren“ geeinigt. Kanzler Merz habe schnell klargemacht, dass Deutschland außenpolitisch wieder eine Rolle spiele.
Die Bevölkerung wolle nun aber spüren, dass die Regierung ihrer Verantwortung gerecht wird und Geschlossenheit zeigt. „Und nicht das versprechen, was man vielleicht gerne hören möchte, sondern das versprechen, was man tatsächlich auch umsetzen kann.“ Die Debatten um die Wahl neuer Richter am Bundesverfassungsgericht sowie die Stromsteuer hätten die gute Arbeit der schwarz-roten Koalition überschattet, sagte Christ.
Was jetzt wichtig wird
Jetzt müsse sich Merz um die Innenpolitik kümmern, sagte Christ. „Viele Menschen interessieren sich auch für die Außenpolitik, unmittelbar spüren sie aber in ihrem Alltag die innenpolitischen Entscheidungen.“ Wichtig sei Transparenz im Umgang mit der Bevölkerung. Die Regierung müsse „ein bisschen zurückhaltender sein und lieber mehr liefern, als man verspricht“.
Wer ist Harald Christ?
Der 53-jährige Christ hatte in der Finanzbranche eine steile Karriere hingelegt, ist Unternehmer und Berater und hält Sitze in Aufsichtsräten. Politisch war der Rheinland-Pfälzer – geboren in Worms – lange Mitglied der SPD, bevor er zur FDP wechselte und dort Bundesschatzmeister wurde. Ende 2024 verließ er die Liberalen auch aus Protest gegen das umstrittene „D-Day“-Papier zum Ampel-Ausstieg.
„Populismus nicht mit Populismus bekämpfen“
Eindringlich warnt Christ vor dem wachsenden Einfluss der Rechtspopulisten. Die AfD wolle Regierung, Gesellschaft und das Land spalten. Ihren Parolen dürfe man aber nicht mit Populismus begegnen. „Von den letzten Patronen zu sprechen, ist eine Sprache, die würde ich mir nicht zu eigen machen“, sagte Christ mit Blick auf CSU-Chef Markus Söder, der die Koalition als „letzte Patrone der Demokratie“ bezeichnet hatte.
„Schlechte-Laune-Partei“ und „Krawall-Lady“
„Alles, was öffentlich wahrgenommen wird, gibt den Populisten wieder einen Angriffspunkt. Wenn man das weiß, darf man dieses Spiel nicht blinden Auges mitspielen“, sagte Christ. „Wir dürfen uns nicht von der Schlechte-Laune-Partei AfD und von der Krawall-Lady Alice Weidel treiben lassen, die nur destruktiv irgendwelche Probleme herbei beschwören, aber keinen einzigen konstruktiven Vorschlag über das Zukunftsbild des Landes wiedergeben.“
Christ warb um Geduld für die Koalition. „Wir neigen in Deutschland dazu, nach ein paar Monaten schon Zeugnisse auszustellen für Dinge, die gerade erst begonnen wurden“, sagte er. „Jetzt ist Optimismus angesagt und jetzt müssen wir die auch mal arbeiten lassen. Die Stimmung und die Zusammenarbeit in der Koalition ist besser, als sie von manchen beschrieben wird.“