Kirche im digitalen Zeitalter: Bizeps, Tattoo und Soutane: Moderne Gesichter der Kirche

  • August 18, 2025

Influencer statt Kirchenbänke: Die Kirche geht online – mit Bodybuilder-Priestern, modischer Kleidung und Selfies. Vermittelt das die Botschaft besser?

In Rom ist der Anblick von Priestern, Nonnen und Pilgern alltäglich. Doch immer öfter sieht man sie nicht nur mit Rosenkranz, sondern mit Smartphone in der Hand – beim Selfie oder Livestream vor dem Petersdom. Online erlebt die katholische Kirche eine überraschende Wiederentdeckung: Unter Hashtags wie #catholic oder #jesus sammeln sich Millionen Klicks. Eine digitale Renaissance – getragen von einer neuen Generation katholischer Influencer.

Einer der bekanntesten ist Don Cosimo Schena aus Brindisi. Rund eine Million Menschen folgen ihm in den sozialen Medien. Man könnte sagen, dass Jesus der erste Influencer war, sagt der 46-Jährige im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. „Heute hätte er wahrscheinlich Milliarden Follower.“ Schena studierte früher Informatik und war verlobt, dann entschied er sich für Theologie. Seit 16 Jahren trägt er Soutane – und ist im Netz als „Dichter der Liebe Gottes“ bekannt.

Auf Instagram inszeniert er sich stets in Topform, gepflegt, sportlich, mal nachdenklich, mal einladend mit enger Kleidung und Turnschuhen in seiner Kirche San Francesco d’Assisi in Brindisi. Anfangs hätten ihn Kollegen kritisiert: Priester hätten online nichts verloren. Heute gilt er als Vorreiter. „Es gibt Leute, die tanzen oder etwas anderes machen. Ich mache motivierende, spirituelle und psychologische Videos.“

Sexy Priester und Popkultur

Während die Zahl der Kirchenmitglieder in Europa sinkt, sorgt ausgerechnet das Digitale für neue Aufmerksamkeit. Geistliche erreichen online mehr Follower, als in ihre Kirchen passen würden. Manche treten dabei mit ungewöhnlichem Image auf: Giuseppe Fusari aus Brescia etwa, muskulös und tätowiert, wird als „Bodybuilder“-Priester bekannt. Oder der anglikanische Pfarrer Chris Lee, der im Netz Hunderttausende erreicht.

Im katholischen Italien begann die „sexy Priester“-Welle schon 2004 mit dem „Calendario Romano“. Als augenzwinkerndes Souvenir zeigte er Bilder junger Männer im Priesterkragen, ob sie nun wirklich Geistliche waren oder nicht. Später griff die Popkultur das Bild auf: In der Serie „Fleabag“ etwa kämpfte ein attraktiver Priester (Schauspieler Andrew Scott) mit den Widersprüchen zwischen Glauben und Romanze.

In „Der junge Papst“ verkörperte Jude Law Pius XIII. – geheimnisvoll, charismatisch, sehr jung aber mit konservativer Botschaft. Ähnlich ist es auch online: Die Verpackung mag modern erscheinen, dahinter steht oft etwas Konservatives. Das kritisiert auch Pfarrer Schena – es gebe zu viele Konservative im Netz. „Man darf weder zu konservativ noch zu revolutionär sein“, sagt der 46-Jährige. „Ein Mittelweg ist das, was die heutige Zeit erfordert.“

Papst Leo XIV.: Auf der Welle ins digitale Zeitalter?

Priester gehören auch zum Zeitgeist der sozialen Medien. „Wichtig ist, das Evangelium zu verkünden, Christus zu verkünden, nicht sich selbst. Das ist die einzige Gefahr“, betont Schena.

Auch Papst Leo XIV., seit gut 100 Tagen im Amt, setzt auf moderne Signale. Der 69-Jährige – erster US-Amerikaner auf dem Stuhl Petri – ist sportlich, trug auch Baseballcap, aß Chicago-Pizza und nutzt ein Smartphone. Auch empfing er in einer seiner ersten Audienzen den jungen Tennisstar Jannik Sinner. Im September soll er zudem Carlo Acutis, bekannt als „Influencer Gottes“ oder „Cyber-Apostel“, seligsprechen.

Wie sehr Leo junge Menschen erreicht, zeigte das Jugendjubiläum in Rom: Über eine Million Menschen jubelten ihm zu. Viele übernachteten anschließend in Schlafsäcken unter freiem Himmel – eine Art kirchliche Pyjama-Party. Zumindest dort war von einer Abkehr von der Kirche keine Spur.

Schon zuvor hatte der Papst 1.400 katholische Influencer und digitale Missionare getroffen. „Wir leben heute in einer neuen Kultur, die durch die Technologie tief geprägt und geformt ist“, sagte Leo. Es gehe nicht darum, bloß Inhalte zu produzieren, sondern Herzen einander begegnen zu lassen, warnte der 69-Jährige. Im November will er auch beim ersten digitalen Jugendtreffen der „National Catholic Youth Conference“ sprechen – etwa 15.000 Jugendliche sind angemeldet. Damit zeige die Kirche, „dass sie mit der Zeit geht“, sagt Schena. „Wir können die digitale Welt nicht mehr ausblenden.“

Gen-Z entdeckt den Glauben neu?

Auch jenseits von Social Media gibt es Anzeichen neuer Dynamik: Studien deuten auf wachsendes religiöses Interesse unter Jugendlichen hin – sei es aus Nostalgie, Sehnsucht nach Gemeinschaft oder als Reaktion auf Einsamkeit. „Die Krankheit dieses Jahrhunderts ist wirklich die Einsamkeit“, betont Pfarrer Schena. „Wir sollten einander mehr zuhören, denn nur so können wir die Geschichte verändern.“

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