Mode und Meer: Rolex und Prada entdecken den Meeresschutz. Das steckt dahinter

  • August 22, 2025

Umweltschutz? Ist unsexy geworden. Doch Luxusmarken wie Rolex und Prada engagieren sich weiterhin, vor allem für die Erforschung der Meere. Diese Gründe treiben sie an.

Sie stapfen durch den Sand, ihre kleinen Hände wühlen im Matsch, jeder Krebs wird wie eine Trophäe in die Luft gestreckt, bevor die Gruppe ihn unter dem Mikroskop begutachtet: Im „Kindergarten der Lagune“ in Venedig wird Drei- bis Fünfjährigen auf spielerische Weise das Meer nahegebracht. Ihr Sandkasten? Die Kanäle und Strände der Stadt, die durch den Klimawandel bedroht sind und eines Tages vom Wasser verschluckt werden könnten.

„Was man als Kind lernt, bleibt im Gedächtnis und kann ganze Familien und Gemeinschaften beeinflussen“, sagt Lorenzo Bertelli, Mitbegründer des Kita-Projekts. Der 37-Jährige klingt wie ein Umweltaktivist, dabei stammt er aus einer ganz anderen Branche: der Modewelt. 

Rolex und Prada auf Meereskurs 

Der Italiener ist der älteste Sohn von Designlegende Miuccia Prada und arbeitet mit im Familienunternehmen, das er irgendwann übernehmen wird. Dass er sich neben der Mode auch für die Meere engagiert, hängt mit „Sea Beyond“ zusammen, einem Bildungsprogramm für Kinder und junge Leute, das er 2019 mit der Unesco-Organisation „Intergovernmental Oceanographic Commission“ gegründet hat. Ihr Ziel: Kinder für einen bewussteren Umgang mit den Ozeanen zu sensibilisieren.

Zum Abtauchen: Mit seinem „Perpetual Planet Initiative“-Programm unterstützt Rolex verschiedene Umweltprojekte, so auch die Expeditionsreihe „Under The Pole“ zur Erforschung des arktischen Meeres
© Franck Gazzola/ Rolex

Für Bertelli sind sie die Zielgruppe, die noch nicht mit den Augen rollt, sobald Begriffe wie Nachhaltigkeit fallen. „Als wir ‚Sea Beyond‘ ins Leben riefen, starteten wir mit nur zehn Schulen“, sagt er. „Heute erreichen wir fast 35.000 Schüler in 54 Ländern.“

Eine Luxusmarke, die auf Klimaretter macht? Klingt erst einmal grotesk. Immerhin ist die Modewelt der größte Umweltsünder, jedes Jahr landen bis zu zwei Millionen Tonnen Textilien im Müll, ihre Herstellung verursacht allein zehn Prozent der globalen Treibhausmissionen. Auch die Meere leiden darunter, jährlich werden sie mit 625.000 Tonnen Chemikalien aus der Textil- und Lederindustrie verschmutzt.

Zwar gibt es heute ambitionierte Marken wie Ecoalf, Armedangels oder auch Stella McCartney, die auf ökologisch korrekte Mode setzen, doch der große Hype ist längst verebbt. Nachhaltigkeit, so scheint es, ist unsexy geworden. Am Image kratzen zum einen viele Marken, die Green Washing betreiben. Zuletzt die Luxusmarke Giorgio Armani. Sie wurde zu einer Millionenstrafe verdonnert, weil sie sich trotz prekärer Zustände bei Subunternehmen für ihren Ethikkodex rühmte und auf ihrer Website vorgab, nachhaltig zu sein. 

Nachhaltigkeit ist unsexy geworden

Doch auch die Folgen von Pandemie und Ukraine-Krieg setzen vielen Labels zu. Da werden Nachhaltigkeitsprojekte, die Zeit und Geld kosten, als Erstes gestrichen. So erklärt sich wohl auch, warum Prada an „Sea Beyond“ festhält. Denn anders als Konkurrenzfirmen wie Gucci, die zuletzt Einbußen von 25 Prozent einstecken mussten, nahm der Umsatz bei Prada um 9 Prozent zu, bei der Schwestermarke Miu Miu sogar um satte 40 Prozent.

Wie viel die Prada Group in „Sea Beyond“ investiert, verrät Lorenzo Bertelli nicht. Bekannt ist jedoch, dass jedes Jahr ein Prozent des millionenschweren Gewinns von „Re-Nylon“, einer gehypten Linie aus recyceltem Polyamid, in die Kassen des Meeresprojekts fließen.

Die Macher hinter „Sea Beyond“: Lorenzo Bertelli von Prada und Audrey Azoulay, Generaldirektorin der Unesco
© Sea Beyond

Ist Nachhaltigkeit also doch Luxus? Das Symbol erfolgreicher Marken, die es sich trotz Krisenzeiten leisten können, Millionen für die Meere auszugeben? 

Kein abwegiger Gedanke, denn auch Rolex geht ähnliche Wege wie Prada. Der Schweizer Uhrenhersteller erzielte trotz allgemeiner Kaufflaute zuletzt ein Rekordergebnis, das laut Analysten 2024 bei 10,6 Milliarden Euro lag. Zwar fertigt die Luxusmarke keine Uhren aus recyceltem Stahl oder nachhaltigem Gold, doch unterstützt sie seit Jahren verschiedene Klimaprojekte als Teil ihrer „Perpetual Planet Initiative“. Für Rolex ist die Verbindung zum Meer historisch bedingt: Die Marke entwickelte 1926 mit der „Oyster Perpetual“ die erste wasserdichte Uhr, zudem war 1960 ein Tiefsee-Modell an Bord des Tauchboots „Trieste“, das als erstes den Marianengraben erreichte, mit 11.000 Metern der tiefste Punkt der Erde. 

Zu den Wissenschaftlern und Forscherinnen, die Rolex unterstützt, gehört auch Sylvia Earle. Die US-Ozeanologin kämpft gegen die Ausbeutung der Meere. Da 97 Prozent der weltweiten Gewässer nicht geschützt sind oder in das Hoheitsgebiet eines Landes fallen, ist das Ökosystem Überfischung, Mikroplastik und Chemiemüll ausgesetzt. Earle begann 2009, Wasserschutzgebiete, sogenannte „Hope Spots“, zu errichten. „Wir haben viel erreicht, allerdings sind bis heute nur drei Prozent aller Fische und Lebewesen im Meer vollständig geschützt“, sagt Earle. 

Die Unterstützung durch Rolex lenkt seit Jahren nicht nur das öffentliche Interesse auf ihre Arbeit, sondern finanziert auch Projekte, die sonst an leeren Kassen gescheitert wären. Auch Lorenzo Bertelli nutzt seinen Einfluss, um Druck auf die Politik auszuüben. „Wir brauchen politische Maßnahmen, um die Meereskompetenz in nationale Bildungssysteme zu integrieren“, sagt er. Auch deshalb organisierte „Sea Beyond“ im Juni die erste Weltkonferenz zum Schutz der Ozeane, die in Venedig stattfand. 

Erfinderin der „Hope Spots“: Die US-Ozeanologin Sylvia Earle bei ihrer Arbeit unter Wasser
© Kip Evans

Dass öffentliche Projekte mit Geldern aus der Privatwirtschaft ermöglicht werden, ist nicht neu, erinnert es doch an die Restauration historischer Gebäude vor allem in Italien und Frankreich, die von Luxusmarken bezahlt wurden. Die Renovierung des Trevi-Brunnens in Rom? Beglich Fendi. Die Rialto-Brücke in Venedig? Diesel. Beim Wiederaufbau der abgebrannten Pariser Kathedrale Notre Dame lieferten sich die Großkonzerne LVMH und Kering sogar einen Schlagabtausch, wer mehr Millionen für die Renovierung aufbringen kann. 

Ein Wettrüsten um den größten Nachhaltigkeits-Etat? Das könnte auch der Meeresschutz gut gebrauchen.

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