Rechtsruck in Großbritannien: Kommunalwahlen in England: Anfang vom Ende der Tories?

  • Mai 1, 2025

Lange konnte die Partei von Churchill und Thatcher die Konkurrenz von rechts auf Abstand halten. Doch nun kommen die britischen Konservativen in Bedrängnis. Dahinter steht vor allem ein Mann.

In der Woche der englischen Kommunalwahlen zeigt das Titelblatt des renommierten britischen Magazins „Economist“ das großformatige Gesicht eines Mannes, der mit lässigem Ausdruck durch eine Sonnenbrille blickt.

Er bekleidet kein öffentliches Amt und schaffte erst im achten Anlauf den Sprung als Abgeordneter ins britische Parlament. Trotzdem ist Nigel Farage, Brexit-Vorkämpfer und Chef der rechtspopulistischen Reform-Partei, ein „Mann, den Großbritannien nicht ignorieren kann“, wie der „Economist“ titelt.

Farage als Totengräber der Tories?

Doch ist er auch Großbritanniens nächster Premierminister und Totengräber der Tories, der traditionsreichen Konservativen Partei? Das ist sein erklärtes Ziel, wie er im vergangenen Jahr im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur deutlich machte. 

Dass es so kommen könnte, gilt nicht mehr als ausgeschlossen. Und das Ergebnis der Kommunalwahlen, die an diesem Donnerstag in Teilen Englands abgehalten werden, könnte sich als Omen erweisen.

Gewählt werden Ratsmitglieder in rund zwei Dutzend Bezirken in weiten Teilen Englands. Und es ist vor allem die Tory-Partei, die so berühmte Regierungschefs wie Kriegspremier Winston Churchill und die „Eiserne Lady“ Margaret Thatcher hervorgebracht hat, die bangen muss. 

Tories machten Farages Themen zu ihren eigenen

Noch unter Ex-Premier Boris Johnson errangen die Tories bei den Kommunalwahlen in denselben Bezirken 2021 einen Kantersieg. Befürchtet wird nun, dass sie rund die Hälfte ihrer knapp 1.000 Gemeinderatssitze verlieren werden – viele davon an Farages Partei Reform UK.

Lange konnten die Konservativen Farage auf Abstand halten, der ihnen in verschiedenen Partei-Inkarnationen wie Ukip, der Brexit-Partei und zuletzt Reform UK von rechts Konkurrenz machte. EU-Austritt, Bootsflüchtlinge, der Kampf gegen „wokes“ Gedankengut: Worauf auch immer Farage sein Augenmerk legte, waren die Tories bald zur Stelle und machten sich seine Ansichten zu eigen.

Reform UK liegt in Umfragen vorne

Doch der Abstand schrumpfte zuletzt deutlich. Ähnlich wie die AfD in Deutschland hat auch die Farage-Partei nach der jüngsten Parlamentswahl in Umfragen noch einmal kräftig zugelegt. Mit 25 Prozent liegt sie im Schnitt der jüngsten Umfragen sogar vor der Regierungspartei Labour (23 Prozent) und den Tories (21 Prozent). Zudem gilt die derzeitige konservative Parteichefin Kemi Badenoch als schwach.

Stünde jetzt eine Parlamentswahl an, könnte es laut Schätzungen dazu kommen, dass Reform zur größten Fraktion im britischen Parlament wird. Das wäre ein Schock, denn bislang sorgte das britische Mehrheitswahlrecht meist zuverlässig dafür, dass entweder die Konservativen oder Labour ein klares Regierungsmandat erhielten. Obschon nicht offiziell, war Großbritannien damit ein Zwei-Parteien-System.

Liebäugeln mit Pakt oder Koalition

Alptraum der Tories ist, dass dieses System dauerhaft gestört sein könnte, oder noch schlimmer, sich wieder einpendelt – aber nicht mit den Tories – sondern mit Reform als Gegenpol zu Labour. Bei den Konservativen wird daher bereits diskutiert, ob es besser wäre, einen Pakt oder eine Koalition mit Farage zu schließen. Badenoch schließt das auf nationaler Ebene zumindest noch aus. Doch ihr parteiinterner Widersacher Robert Jenrick liebäugelte bereits öffentlich damit.

Die nächste Parlamentswahl steht erst im Jahr 2029 an, und lokale Wahlergebnisse sind nur eingeschränkt aussagekräftig für nationale Trends. Doch Politikprofessor Tony Travers von der London School of Economics glaubt, dass die inzwischen gut organisierte Farage-Partei von einem Erfolg auf kommunaler Ebene deutlich profitieren würde: „Es wird die Fähigkeiten Reforms, Parlamentsmandate zu gewinnen, deutlich erhöhen“, sagte er vor Journalisten kurz vor dem Wahltermin. Bislang sitzt Reform mit gerade einmal vier Abgeordneten im Unterhaus.

Labour hat „Paranoia“ vor Reform

Auch in der regierenden Labour-Partei ist die Angst vor Farage groß. LSE-Politikprofessorin Sara Hobolt spricht gar von einer „Paranoia“. Hintergrund ist, dass sich viele traditionelle Labour-Wähler aus der Arbeiterschicht, vor allem im Norden des Landes, beim Brexit-Referendum für den EU-Austritt ausgesprochen hatten. Bei ihnen dürften Farages Botschaften auf fruchtbaren Boden stoßen. 

Für Labour sieht es bei der Kommunalwahl zwar ebenfalls nicht gut aus. Doch ihre Verluste werden sich allein deswegen in Grenzen halten, weil die Partei schon bei der vergangenen Wahl schlecht abgeschnitten hatte. Zudem verfügen die Sozialdemokraten über eine satte Mehrheit im Parlament. Labour solle sich daher, „vielleicht ein bisschen mehr aufs Regieren und ein bisschen weniger auf Reform fokussieren“, sagt Hobolt.

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