Bundeswehr: Zu den Waffen! Die Union lässt bei der Wehrpflicht nicht locker

  • August 27, 2025

Wann kommt die Wehrpflicht? Am Mittwoch verabschiedet das Kabinett den Entwurf eines Wehrdienstgesetzes. Boris Pistorius hat sich vorerst durchgesetzt. Doch die Debatte geht weiter.

Der Kanzler war um Entspannung bemüht. Dass ein Ministerium noch Nachbesserungsbedarfim Gesetzentwurf eines anderen Ressorts sehe, sei „übliches, ganz normales Regierungshandeln“, erläuterte Friedrich Merz am Dienstag. Ausgerechnet der Mann, dem oft mangelnde Erfahrung vorgehalten wurde, präsentierte sich am Rande einer Pressekonferenz mit dem kanadischen Premierminister so abgeklärt, als habe er schon kurze Zeit nach Helmut Kohl im Kanzleramt Platz genommen.

Doch ganz so einfach war die Sache nicht. Es ging nicht nur um technische Details, sondern um die zentrale politische Frage, als Außenminister Johann Wadephul Anfang der Woche plötzlich einen Leitungsvorbehalt gegen den Entwurf eines neuen Wehrdienstgesetzes von Verteidigungsminister Boris Pistorius einlegte: Wie schnell kommt die Wehrpflicht, wenn das Prinzip der Freiwilligkeit nicht reicht, um Deutschland abwehrbereit zu machen?

Die Wehrpflicht ist seit 2011 ausgesetzt – und das bleibt auch erstmal so

Damit erschien zumindest kurzzeitig gefährdet, was nun doch am heutigen Mittwoch im Kabinett stattfinden wird: Die Verabschiedung des Wehrdienstgesetzes, mit dem die Bundeswehr personell aufgestockt werden soll. Denn ein solcher Vorbehalt kann schlimmstenfalls dazu führen, dass die Kabinettsbefassung eines Gesetzentwurfes verschoben werden muss. Folglich nahm man sich der Sache auch ganz oben an: Werden derartige Einwände für gewöhnlich von den Staatssekretären bis zum Montagabend vor einer Kabinettssitzung abgeräumt – führte diesmal dem Vernehmen nach der Kanzler höchstselbst nochmal klärende Gespräche mit seinen Ministern. Mit Erfolg.

Nur so wurde möglich, dass das Kabinett auch einer ziemlichen Blamage entging. Denn Merz und seine Ministerriege tagen heute ausnahmsweise im Verteidigungsministerium. Es wäre eine bizarre Sitzung geworden, wenn ausgerechnet das Wehrdienstgesetz von der Tagesordnung geflogen und damit der Gastgeber brüskiert worden wäre. Nun wird die Regierung den Entwurf so auf den Weg in den Bundestag schicken, wie es Pistorius vor Wochen vorgelegt hatte – schon damals im Einvernehmen mit dem Kanzler. Die internen Zielmarken des Verteidigungsministeriums liegen nach Informationen des „Spiegel“ bei 15.000 Freiwilligen in diesem Jahr und 20.000 im Jahr 2026. Insgesamt benötigt die Bundeswehr etwa 80.000 zusätzliche aktive Soldaten, um die Zielvorgabe der Nato von 260.000 zu erreichen.

Deshalb wird auch die Debatte weitergehen. Wadephul, der aus der Bundestagsfraktion ins Ministeramt aufstieg, ist unter den Abgeordneten noch immer gut verdrahtet, vor allem unter den Außen- und Sicherheitspolitikern. Mithin machte selbst der Kanzler kein Hehl daraus, dass in dem Vorbehalt des Außenministers breitere Ungeduld zum Tragen kam: Es habe, so berichtete Merz, „aus der Bundestagsfraktion heraus“ den Wunsch gegeben, einen Automatismus im Gesetz zu verankern. Der sollte dafür sorgen, dass die Wehrpflicht ohne weitere Befassung des Bundestages in Kraft tritt, wenn die nötige Zahl an Freiwilligen in den kommenden Jahren zu bestimmten Stichtagen nicht erreicht wird. 

Für den Kabinettsentwurf ist diese Änderung nun gescheitert, doch im Bundestag wird die Union mit Sicherheit weiter darauf drängen. CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen kündigte für das parlamentarische Verfahren bereits Druck an: „Wir müssen jetzt konkrete Meilensteine vereinbaren, die einen Spurwechsel von der Freiwilligkeit zur Pflicht vorsehen, wenn diese nicht ausreicht, um unsere Ziele zu erreichen“, sagte er t-online. „Das Prinzip Hoffnung kann in einem so wichtigen Bereich nicht handlungsleitend sein und jedes Abwarten auf eine weitere Zuspitzung der sicherheitspolitischen Lage wäre unverantwortlich.“

Bislang ist eine solche Beschleunigung aber mit der SPD nicht zu machen. Pistorius muss zumindest Rücksicht nehmen auf einen Parteitagsbeschluss, der verlangt, dass das Parlament die vor 14 Jahren ausgesetzte Wehrpflicht, wenn überhaupt, nur in einer neuerlichen Abstimmung im Parlament wieder einsetzen kann. Und auch das nach dem Willen der Sozialdemokraten frühestens in der nächsten Legislaturperiode.

Wieder hat der Kanzler Wadephul zurückgepfiffen

Aus der Vorbereitung der Kabinettsitzung ging der Verteidigungsminister als Sieger hervor. Merz räumte am Mittwoch ein, Pistorius habe „aus meiner Sicht zurecht“ darauf hingewiesen, dass eine schnelle Wiedereinsetzung der Wehrpflicht praktisch gar nicht möglich sei. „Wir könnten, selbst wenn wir alle zusammen wollten, heute das 2011 ausgesetzte Wehrpflichtgesetz nicht einfach wieder in Kraft setzen. Dafür fehlen die Voraussetzungen.“ Es fehlten die Kasernen, es fehlten die Ausbilder, so Merz. 

Johann Wadephul hingegen steht nun neuerlich wie ein Außenminister da, der vom Kanzler immer mal wieder zurückgepfiffen werden muss. So hatte Wadephul schon vor Wochen forsch angekündigt, die Bundesregierung werde US-Präsident Donald Trump bei der Vorgabe folgen, die Nato-Staaten sollten fünf Prozent für die Rüstung ausgeben. Zwar wurden die fünf Prozent letztlich beschlossen, aber in einer sehr viel flexibleren Version. Jüngst hatte Wadephul außerdem eine Beteiligung der Bundeswehr an einer Friedenstruppe in der Ukraine ausgeschlossen, weil sie damit überfordert wäre. Auch diese Ansage musste er später relativieren.

Und jetzt die Sache mit der Wehrpflicht. Doch der Fall enthält auch eine Warnung an den Kanzler. Die Unions-Fraktion hat nochmal ein Zeichen gesetzt, dass sie auch eigene Forderungen umgesetzt sehen will. Für die weiteren Verhandlungen um die Wehrpflicht steckt darin ein gewisses Konfliktpotenzial.

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