Debatte um Sozialabgaben: Arbeitgeber: Beiträge steigen, Patienten sollen vorstrecken

  • September 1, 2025

Arztbesuch, Medikament, Krankenkasse: Alles wird teurer. Der Arbeitgeberverband Niedersachsenmetall sieht die Sozialabgaben explodieren und drängt auf Reformen, die auch Patienten betreffen.

Gesetzlich Versicherte sollen Arztrechnungen nach dem Willen von Arbeitgebern künftig zunächst selbst bezahlen und sich die Kosten später erstatten lassen. Das fordert Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Niedersachsenmetall. „Das würde einen psychologischen Effekt haben: Man überlegt sich dreimal, ob man wegen jeder Petitesse zum Arzt geht“, sagte Schmidt der Deutschen Presse-Agentur. 

Nach seiner Ansicht fehlt es im Gesundheitssystem an Kostenbewusstsein. „Kein gesetzlich Versicherter erfährt heute, was ein Arztbesuch oder Medikamente kosten. Es herrscht null Kostentransparenz. Ohne Kostentransparenz aber kein Kostenbewusstsein“, sagte er. Beamte lebten längst mit diesem System – warum nicht auch Arbeitnehmer? 

Sorge vor Sozialabgaben von 50 Prozent 

Hintergrund der Forderung sind aus Sicht Schmidts stark steigende Sozialabgaben. Nach seinen Angaben stiegen sie zuletzt von 40 auf 42,6 Prozent. Bis 2027 könnten es 45 Prozent sein, bis 2030 womöglich 50. „Allein der Anstieg bis 2027 entspräche der Kostenwirkung von zwei kompletten Tarifrunden für die Betriebe“, warnte er. 

Die Belastung durch steigende Abgaben sei für Arbeitgeber mittlerweile gravierender als die Effekte von Tarifabschlüssen. „Die Zehntelprozente, um die wir in Tarifverhandlungen feilschen, sind doch ein Fliegenschiss im Vergleich zu dem, was der Staat über steigende Sozialversicherungsbeiträge den Betrieben an zusätzlichen Personalkosten aufbürdet“, sagte Schmidt. 

Der Begriff „Fliegenschiss“ hatte 2018 für Empörung gesorgt, als der damalige AfD-Chef Alexander Gauland die NS-Zeit damit verharmlosend relativierte. Seither gilt die Formulierung in der politischen Debatte als stark vorbelastet. Schmidt verteidigte seine Wortwahl und betonte, er habe den Ausdruck schon lange vor Gauland verwendet. 

„Wahnsinn“ bei Arztbesuchen 

Deutschland liege bei Arztbesuchen an der internationalen Spitze, betonte der Arbeitgebervertreter. „Wir haben im Schnitt zehn Arztbesuche pro Kopf und Jahr – vom Säugling bis zum Greis. Das ist Wahnsinn!“ Mehr Kostentransparenz könnte nach Schmidts Ansicht helfen, unnötige Termine zu vermeiden. 

Zudem kritisierte er versicherungsfremde Leistungen, die über die Krankenkassen abgewickelt würden. „Allein bei Bürgergeldempfängern zahlen die gesetzlichen Krankenkassen jedes Jahr 10 Milliarden Euro, die die Beitragssätze im Ergebnis um 0,6 Punkte nach oben katapultieren. Es wäre nur konsequent, wenn diese Kosten künftig vom Bundeshaushalt übernommen werden.“ 

Politische Debatte nimmt Fahrt auf 

Die Aussagen fallen in eine bundesweite Diskussion über Reformen der Sozialversicherungen. Arbeitgeberpräsident Steffen Kampeter brachte jüngst eine Kontaktgebühr ins Spiel, CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sprach von Reformbedarf. Bundeskanzler Friedrich Merz kündigte Reformen mit „schmerzhaften Einschnitten“ an. Sozialverbände und Ärzteverbände lehnten solche Vorschläge bisher als unsozial ab.

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