Polizistenmord von Mannheim: Messerangreifer zu lebenslanger Haft verurteilt

  • September 16, 2025

Im Prozess um den tödlichen Messerangriff auf den Polizisten Rouven L. in Mannheim hat das Oberlandesgericht Stuttgart den Angeklagten Sulaiman A. zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Außerdem stellte das Gericht am Dienstag für den aus Afghanistan stammenden 26-jährigen mutmaßlichen IS-Sympathisanten die besondere Schwere der Schuld fest, was eine vorzeitige Haftentlassung nahezu ausschließt. Das Gericht verurteilte A. wegen Mordes an L. sowie wegen vierfachen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung.

Der Angriff vom 31. Mai vergangenen Jahres hatte kurz vor der Europawahl für scharfe Debatten über die Migrationspolitik gesorgt. Der Vorsitzende Richter Herbert Anderer sagte, mit dem Angriff habe der streng gläubige sunnitische Muslim A. „einen größtmöglichen Schaden in Form möglichst vieler Todesopfer“ anrichten wollen. Dazu habe er bewusst die Kundgebung des islamkritischen Vereins Bürgerbewegung Pax Europa als Ziel ausgewählt.

A. habe den Hauptredner, den Islamkritiker Michael Stürzenberger, sowie weitere Teilnehmer töten wollen. Auch Polizisten habe er als Repräsentanten des von ihm abgelehnten deutschen Staats töten wollen. A. selbst habe am Ende des Angriffs sterben wollen, „um ins Paradies einzutreten“. Er habe den „Märtyrertod“ sterben wollen, sagte Anderer.

Ein Videoclip des Angriffs war damals viral gegangen und vielfach angesehen worden. Das Gericht sah die Attacke auch durch die Beweisaufnahme als belegt. A. hatte demnach auf Stürzenberger eingestochen und danach auf Männer, die diesem helfen wollten.

In einer unübersichtlichen Situation hatte ein Zeuge einen anderen Zeugen als Angreifer eingestuft und diesen attackiert. In dieser Situation griff der Polizist L. dem Urteil zufolge ein. Als er einen der an dem Gerangel beteiligten Männer fixieren wollte, habe A. ihn mit Stichen in die Schulter und den Kopf attackiert. L. erlitt dabei so schwere Verletzungen, dass er zwei Tage später im Krankenhaus starb. Die Attacke endete erst, als A. von einem anderen Polizisten angeschossen wurde.

Mit dem Strafmaß folgte das Gericht der Forderung der Bundesanwaltschaft. Diese hatte allerdings fünf Fälle des versuchten Mordes angeklagt – laut Gericht war aber eine Attacke nicht als versuchter Mord einzustufen. Die Verteidiger hatten ebenfalls auf eine lebenslange Haftstrafe plädiert, sie sahen allerdings nicht die besondere Schuldschwere. Nach dem Urteil gab die Verteidigung gegenüber der Nachrichtenagentur AFP an, es sei „eher unwahrscheinlich“, dass Rechtsmittel eingelegt würden. Das letzte Wort habe aber der Mandant.

A., der seit Jahren mit der Dschihadistenmilizi Islamischer Staat (IS) sympathisierte, hatte im Prozess angegeben, sich in Chats in sozialen Netzwerken radikalisiert zu haben und manipuliert worden zu sein. Auslöser seiner Radikalisierung war demnach das Vorgehen Israels in Gaza nach dem Angriff der radikalislamischen Hamas im Oktober 2023.

Der Richter zitierte verschiedene Chatnachrichten zum Beleg von A.s radikaler Haltung. So habe er geschrieben: „Mit Gottes Willen töte ich diese Gottesfeinde.“ Einen Gesprächspartner habe er gefragt: „Wie und gegen wen sollen wir Dschihad führen?“

Der Richter widersprach der Darstellung des weitgehend geständigen A., er habe nur Stürzenberger töten wollen. Dagegen spreche der gesamte Tatablauf. Außerdem habe A. schon Wochen vor dem Anschlag darüber nachgedacht, gezielt Polizisten zu töten.

Der Verurteilte hatte bis zu der Attacke unauffällig mit seiner Frau und zwei Kindern in Heppenheim gelebt. Er war laut Gericht 2013 als unbegleiteter jugendlicher Flüchtling aus Afghanistan nach Deutschland geflohen. Sein Asylantrag wurde abgelehnt, er konnte aber wegen eines Abschiebeverbots nach Afghanistan in Deutschland bleiben.

Der Vorsitzende Richter wandte sich in seiner Urteilsbegründung direkt an die Familie und hier insbesondere die Eltern des getöteten 29 Jahre alten Polizisten. „Ihr Sohn stand für den Rechtsstaat – so grauenvoll das ist, er starb für ihn“, sagte der Richter. Alle Zeugen hätten den Beamten als einen Mann geschildert, „den man mögen muss“. 

Der Rechtsanwalt der Familie des getöteten Polizisten sagte, der Prozess sei ein „sehr opferorientiertes Verfahren“ gewesen. Das Strafmaß sei nach der Beweisaufnahme zu erwarten gewesen. Die Familie müsse akzeptieren, dass das Gericht von einer anschließenden Sicherungsverwahrung abgesehen habe – dies hatten die als Nebenkläger auftretenden Eltern und die Schwester des Getöteten als Nebenkläger gefordert.

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) nannte das Urteil „ein deutliches Zeichen unseres Rechtsstaats“. „Diese Tat bleibt nicht folgenlos – auch wenn das unseren Schmerz nicht beseitigen kann“, erklärte er. L.s Tod sei ein Auftrag. „Hass, Gewalt und Schmerz dürfen nicht das letzte Wort haben“, erklärte Strobl.

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