Bundesverfassungsgericht stärkt Rechte kirchlicher Arbeitgeber bei Stellenvergabe

  • Oktober 23, 2025

Das Bundesverfassungsgericht hat die Rechte kirchlicher Arbeitgeber bei der Stellenbesetzung gestärkt. Sie hätten bei der Frage, ob sie von Bewerbern eine Kirchenmitgliedschaft verlangen können, aufgrund ihres grundrechtlich fixierten „religiösen Selbstbestimmungsrechts“ einen großen Ermessens- und Entscheidungsspielraum, entschied das Gericht in Karlsruhe in einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss. Es gab damit der Verfassungsbeschwerde eines kirchlichen Vereins in einem arbeitsrechtlichen Streitfall statt. Die Kirchen begrüßten das Urteil als wichtige Klarstellung. (Az. 2 BvR 934/19)

Konkret ging es um eine 2018 vom Bundesarbeitsgericht in Erfurt getroffene fachrichterliche Entscheidung. Dieses hatte einer 2012 nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladenen konfessionslosen Bewerberin eine Entschädigung von rund 3915 Euro zugesprochen, weil es sie wegen ihrer Religion diskriminiert sah. Der Arbeitgeber, ein im Bereich der Diakonie und Entwicklungsarbeit tätiger Verein der evangelischen Kirche, ging vor dem Verfassungsgericht dagegen vor.

Die Karlsruher Richter stuften dessen Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil als begründet ein. Das Bundesarbeitsgericht habe das Interesse des kirchlichen Arbeitgebers bei seiner Fallbeurteilung „nicht in der verfassungsrechtlich gebotenen Weise gewichtet“ und „ein eigenes Verständnis einer glaubwürdigen Vertretung des kirchlichen Ethos nach außen an die Stelle des Verständnisses des Beschwerdeführer“ gestellt.

Das Verfassungsgericht hob die Entscheidung auf und verwies den Fall an das Bundesarbeitsgericht zurück. Die evangelische Kirche und deren Diakonie begrüßten das Urteil. „Das höchste deutsche Gericht hat für Klarheit gesorgt“, erklärte Diakonie-Vorstand Jörg Kruttschnitt. Die staatlichen Gerichte dürfen bei der Prüfung einer Stellenbesetzung „theologische Wertungen nicht selbst treffen“. Das obliege der Kirche.

Juristisch ist die Angelegenheit komplex, sie berührt unter anderem das Zusammenspiel von europäischer Antidiskriminierungsrichtlinie und deren nationalstaatlicher Umsetzung sowie verfassungsrechtliche Fragen. Das Bundesarbeitsgericht legte den Fall deshalb bereits dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg zur Einschätzung vor.

Zugleich gehören die christlichen Kirchen zu den größten Arbeitgebern des Landes. Nach Angaben der Gewerkschaft Verdi beschäftigten sie und ihre Wohlfahrtsverbände insgesamt 1,8 Millionen Menschen. Sie werden damit in der Dimension nur noch vom öffentlichen Dienst übertroffen.

Im Kern ging es um die Frage, inwieweit kirchliche Institutionen als Arbeitgeber bei Stellenausschreibungen und Bewerberauswahl auch dann auf einer Kirchenmitgliedschaft bestehen dürfen, wenn es um Jobs außerhalb seelsorgerischer oder traditionell für ihr christliches Profil zentralen Felder geht. Im aktuellen Fall handelte es sich um eine Referentenstelle im Bereich des globalen Menschenrechtsschutzes.

Das Bundesarbeitsgericht sah das Beharren auf Kirchenmitgliedschaft in dieser Konstellation als nicht mehr gerechtfertigt an und sah einen Verstoß gegen die europäische Antidiskriminierungsrichtlinie. Dessen Auffassung wurde vom Bundesverfassungsgericht nun allerdings korrigiert. Es bestünden „auch im Hinblick auf die Reichweite des Selbstbestimmungsrechts der Religionsgemeinschaften im Bereich des Arbeitsrechts keine unüberwindbaren Widersprüche zwischen dem nationalen Verfassungsrecht und dem Unionsrecht“, stellte es klar.

Das Bundesarbeitsgericht habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass die europäische Gleichbehandlungsrichtlinie nationalen Gesetzgebern laut EuGH-Auslegung entsprechende „Spielräume“ belasse. Daher habe es bei seiner Abwägung auch die vermeintlich aufgrund von Europarecht zu beachtenden Vorgaben „überspannt“ und die Autonomie des Arbeitgebers nicht in verfassungsrechtlich gebotener Weise gewichtet. Dieser habe das christliche Profil der strittigen Stelle „plausibel“ dargelegt.

Auch die katholische Deutsche Bischofskonferenz begrüßte das Urteil aus Karlsruhe. Es bringe „Rechtssicherheit“ und bestätige zugleich „nachdrücklich das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen“, erklärte das Gremium. Handlungsbedarf für die katholische Kirche bestehe nicht.

Die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, mahnte die Kirchen zur verantwortungsvollen Anwendung. Auch der neuen Karlsruher Entscheidung zufolge dürften sie nicht „per se“ eine Kirchenmitgliedschaft verlangen, erklärte Ataman. Sie müssten dies „plausibel erklären“, was für viele Tätigkeiten nicht möglich sein werde. Das sähen die Kirchen inzwischen selbst ebenfalls so.

„Das Selbstbestimmungsrecht ist wichtig, der Diskriminierungsschutz aber auch“, fügte Ataman hinzu. Die Kirchen gehörten zu den größten Arbeitgebern in Deutschland und trügen deshalb beim Schutz vor Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt „eine besondere Verantwortung“.

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